Rz. 259

Beginnend mit einem weiteren Urteil hat der BGH (zfs 2000, 103 = DAR 2000, 159 = NVZ 2000, 162) seine Rechtsprechung noch weiter konkretisiert. Danach bestätigt er zunächst, dass der Geschädigte im Allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt, wenn er im Totalschadensfall das Unfallfahrzeug zu dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt (so auch LG Köln zfs 2003, 184; AG Oldenburg zfs 2004, 512). Weist der Sachverständige ihm jedoch eine ohne weiteres zugängliche, konkrete günstigere Verwertungsmöglichkeit nach, kann der Geschädigte im Interesse der Schadensminderungspflicht gehalten sein, davon Gebrauch zu machen (BGH zfs 2005, 184 = VersR 2005, 381 = NZV 2005, 140 = DAR 2005, 152; BGH v. 1.6.2010 – VI ZR 316/09 – VersR 2010, 963; BGH v. 15.6.2010 – VI ZR 332/09 – VersR 2010, 1197). Allerdings müssen derartige – vom Schädiger zu beweisende – Ausnahmen in engen Grenzen gehalten werden, weil anderenfalls die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen wird (jüngst BGH v. 23.11.2010 – VI ZR 35/10 – VersR 2011, 280 = zfs 2011, 264). Voraussetzung für eine ausnahmsweise Berücksichtigung eines konkreten Restwertangebots des Versicherers ist danach, dass

der Geschädigte den höheren Erlös mühelos erzielen kann
oder die ihm vom Schädiger nachgewiesene günstigere Verwertungsmöglichkeit ohne weiteres zugänglich ist (BGH, a.a.O.).

Der bloße allgemeine Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen muss, genügt danach jedoch nicht, um seine Pflicht zur Schadensminderung auszulösen (Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 B Rn 81). Vielmehr ist als Mindestvoraussetzung ein verbindliches Restwertangebot zu verlangen. Als zu weitgehend erscheint die Entscheidung des BGH v. 15.6.2010 (VI ZR 232/09 – VersR 2010, 1197 = NZV 2010, 443), in der sich der Geschädigte einen tatsächlichen Restwerterlös anrechnen lassen musste, den er aufgrund einer Internetrecherche seines eigenen Kaskoversicherers in einer Restwertbörse erzielt hat.

 

Rz. 260

Gleichwohl ist der Geschädigte weiterhin selbst dann nicht verpflichtet, dem gegnerischen Haftpflichtversicherer Gelegenheit zur Einholung von Restwertangeboten zu geben, wenn der Geschädigte nach Verstreichen der Angebotsfrist der vom Versicherer vorgelegten Restwertangebote eine Teilreparatur des Fahrzeugs vorgenommen hat und er das Fahrzeug nunmehr teilrepariert zu verkaufen beabsichtigt. Auch in diesem Fall ist lediglich der vom Sachverständigen für den allgemeinen Markt ermittelte Restwert der Regulierung zugrunde zu legen (BGH v. 23.11.2010 – VI ZR 35/10 – VersR 2011, 280 = zfs 2011, 264).

 

Rz. 261

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des für das Urheberrecht zuständigen Senats des BGH (zfs 2010, 554 = NZV 2010, 448), wonach der Versicherer aus Gründen des Urheberrechts nicht befugt ist, die Lichtbilder des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens in eine Restwertbörse im Internet einzustellen, um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu überprüfen.

 

Rz. 262

Wenn die Verwertung des Restwertes noch nicht erfolgt ist und der Geschädigte ohne überobligationsmäßige Anstrengungen höhere Restwerte erzielen könnte, ist er verpflichtet, auf ein entsprechendes Übernahmeangebot des Versicherers einzugehen (OLG Hamm NZV 1993, 432 f.; OLG Hamm NZV 2009, 183). Das gilt jedenfalls dann, wenn ihm ein höheres Restwertangebot förmlich "in den Schoß gefallen" ist, ohne dass er etwas dazu beigetragen hat. Der Geschädigte braucht jedoch nur solche Restwertangebote zu berücksichtigen, bei denen das Fahrzeug kostenfrei von dem Abnehmer am Standort abgeholt und bar bezahlt wird und zur Vereinbarung des Abholtermins lediglich ein einziges Telefongespräch erforderlich ist (AG Flensburg zfs 2001, 210). Tritt allerdings eine Verzögerung bei der Anschaffung des Ersatzfahrzeugs ein, weil es beim Verkauf des Unfallfahrzeugs an den Restwertaufkäufer mit dem höchsten Angebot ohne Verschulden des Geschädigten zu Schwierigkeiten kommt, hat der Schädiger auch die dadurch entstehenden Mehrkosten (Standgelder, Nutzungsausfall) zu erstatten (LG Hannover v. 23.3.2011 – 11 S 56/10 – NZV 2011, 547).

 

Rz. 263

Bundesweit eingeholte, gegenüber der Schätzung des Sachverständigen höhere Angebote von Restwertbörsen sind hingegen dann nicht aussagekräftig, wenn sie von Anbietern stammen, die ganz oder teilweise weit entlegen sind oder die erst einen Monat später nach dem Schadensfall abgegeben werden (LG Essen zfs 2001, 310). Nach KG NZV 2010, 300 muss sich der Geschädigte nicht an einem solchen Restwertangebot festhalten lassen, wenn der Restwerthändler außerhalb des dem Geschädigten allgemein zugänglichen regionalen Markts ansässig ist.

 

Rz. 264

Ein höheres Restwertangebot kann dem Geschädigten nur entgegengehalten werden, wenn er es erhält und in zumutbarer Weise realisieren kann, bevor er sich im üblichen Verlauf der Dinge u...

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