Rz. 327
Der Geschädigte kann auch in den 130-%-Fällen fiktiv abrechnen, wenngleich auch unter etwas anderen und strengeren Voraussetzungen.
aa) Eigenreparatur
Rz. 328
Bei einer durchgeführten Eigenreparatur ist nach der Rechtsprechung des BGH wie folgt zu unterscheiden:
(1) Reparaturkosten kleiner als Wiederbeschaffungswert
Rz. 329
Hinweis
Vgl. hierzu zunächst Rdn 70 ff.
Rz. 330
Die Abrechnung auf Gutachtenbasis bei durchgeführter Reparatur bis zu einem Wert von 100 % des Wiederbeschaffungswertes stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz dar, dass der Geschädigte nicht am Schaden verdienen soll (BGH zfs 2003, 403). Dieses Bereicherungsverbot will lediglich verhindern, dass der Geschädigte aufgrund der Schadensabwicklung nach dem Unfall wirtschaftlich besser steht als vorher, bezweckt aber nicht, den Schädiger an überobligationsmäßigen Leistungen des Geschädigten teilhaben zu lassen (OLG Oldenburg zfs 2000, 339 = DAR 2000, 359).
Rz. 331
Allein der Geschädigte ist bekanntlich Herr des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung findet Ausdruck in der sich aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis und freien Wahl der Mittel zur Schadensbehebung. Der Geschädigte ist nach den anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen der Dispositionsfreiheit in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich verlangen kann (BGH VersR 1989, 1056 ff. m.w.N.). Es bleibt daher allein ihm überlassen, ob und wie er sein Fahrzeug repariert.
Rz. 332
Die schadensrechtlichen Grundsätze der Dispositionsfreiheit einerseits und das Bereicherungsverbot andererseits stehen zueinander in einer Wechselbeziehung (Steffen, NJW 1995, 2057 ff.). Demzufolge darf in der Verfolgung des Wirtschaftlichkeitspostulates das Integritätsinteresse des Geschädigten, das aufgrund der gesetzlich gebotenen Naturalrestitution Vorrang genießt, nicht verkürzt werden. Die Schadensregulierung darf nicht beschränkt werden auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache; ihr Ziel ist es vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne Schadensereignis entspricht (BGHZ 115, 375 ff. m.w.N.).
Rz. 333
Wird also der Pkw mit einem Kostenvolumen bis zur – vom Sachverständigen – geschätzten Höhe des Wiederbeschaffungswertes repariert und vom Geschädigten weiter benutzt, so stellt der Restwert einen lediglich hypothetischen Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiert und der sich deshalb in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf. Erst die Unverhältnismäßigkeit bildet bei einer möglichen Naturalrestitution die Grenze, oberhalb derer der Ersatzanspruch des Geschädigten nicht mehr auf Wiederherstellung (= Restitution), sondern auf Wertausgleich (= Kompensation) gerichtet ist (Müller, Aktuelle Fragen des Haftungsrechts, zfs 2005, 54, 57).
(2) Reparaturkosten größer als Wiederbeschaffungswert
Rz. 334
Hinweis
Vgl. hierzu zunächst Rdn 77 ff.
Rz. 335
Bei Eigenreparatur des beschädigten Fahrzeuges muss der tatsächliche Anfall des vom Sachverständigen geschätzten Reparaturvolumens bis zur 130-%-Grenze nachgewiesen werden (BGH DAR 2005, 266 ff.). Der Geschädigte kann Ersatz eines den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturaufwands nur dann verlangen, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
Rz. 336
Umfang und Qualität der Reparatur können nicht schon deshalb außer Betracht bleiben, weil der Geschädigte sein Fahrzeug selbst instandsetzen darf, also nicht in einer anerkannten Fachwerkstatt reparieren lassen muss. Insoweit ist nicht maßgebend, ob dem Geschädigten der entsprechende finanzielle Aufwand tatsächlich entstanden ist. Auch eine Eigenreparatur kann eine Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts rechtfertigen, wenn der Geschädigte mit ihr sein Integritätsinteresse bekundet hat. Das aber ist nur dann der Fall, wenn er durch eine fachgerechte Reparatur zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzen will. Nur unter diesen Umständen hat der Schädiger Reparaturkostenersatz bis zur Grenze von 130 % des Wiederbeschaffungswerts zu leisten (BGH DAR 2005, 266 ff.).
Rz. 337
Setzt jedoch der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht instand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im allgemeinen unverhältnismäßig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Kraftfahrzeugs auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (BGH VersR 1972, 1024 f.; BGH VersR 1985, 593, 594; siehe auch Lipp, NJW 1990, 104, 105).
Rz. 338
Stellt der Geschädigte lediglich die Fahrbereitschaft, nicht aber den früheren Zustand des Fahrzeugs wieder her, so beweist er dadurch zwar ein Interesse an der Mobilität durch sein Fa...