Rz. 175

Unter dem Stichwort "Smart Repair" werden in den letzten Jahren alternative Reparaturmethoden diskutiert, bei denen Kleinschäden am Fahrzeug repariert werden im Gegensatz zu einem Austausch bzw. einer Neulackierung des betroffenen Fahrzeugteils. Hierunter fallen das Ausbeulen von Metallanbauteilen, die Kunststoffreparatur an Außenteilen, die Spot Lackierung und die Steinschlagreparatur an Windschutzscheiben sowie eine Vielzahl weiterer Methoden (Hermann, Dokumentation VGT 2015, 261 ff.; vgl. auch Nugel, NZV 2015, 12 ff.).

Fraglich ist hierbei haftungsrechtlich bzw. schadensrechtlich, inwieweit sich der Geschädigte mit der oft deutlich günstigeren Reparatur begnügen muss oder den Austausch verlangen kann. Inwieweit es sich bei den diskutierten alternativen Reparaturmethoden tatsächlich um neue Methoden handelt oder diese Techniken schon lange Zeit praktiziert werden (so Hermann, VGT 2015, S. 261 ff.; vgl. dazu Huber, zfs 2015, 424, 425 f.), scheint unklar.

 

Rz. 176

Der Arbeitskreis VI des 53. Deutschen Verkehrsgerichtstages (VGT) hat sich im Jahre 2015 mit dem Thema befasst und durch die nachfolgend genannten Empfehlungen den Streitstand wie folgt zusammengefasst:

Zitat

1. Unabhängig vom Auftraggeber muss der Kfz-Sachverständige bei jeder Begutachtung eines Haftpflichtschadens alle zur fachgerechten Reparatur anerkannten Reparaturverfahren berücksichtigen. Von mehreren gleichwertigen Methoden zur vollständigen sach- und fachgerechten Wiederherstellung muss er in seinem Gutachten die wirtschaftlich sinnvollste dokumentieren.

2. Eine gleichwertige Reparatur setzt voraus, dass die Garantie- und Gewährleistungsansprüche nicht beeinträchtigt werden.

3. Der Rückgriff auf eine günstigere Reparaturmethode darf nicht zur Beeinträchtigung der begründeten Ansprüche des Geschädigten führen.

4. Der Gesetzgeber wird erneut aufgefordert, für eine grundsätzliche berufliche Ordnung des Kfz-Sachverständigenwesens zu sorgen. Hierzu gehört insbesondere die Regelung einer entsprechenden Grundqualifikation und einer regelmäßigen Fortbildung, die nachzuweisen ist.“

 

Rz. 177

Wie die Empfehlungen zu Recht deutlich machen, ist für die Regulierungspraxis die entscheidende Frage, inwieweit der technische Sachverständige in seinem Schadengutachten bei der Reparaturkostenkalkulation von einem Austausch des betroffenen Teils (ggf. mit Neulackierung) oder einer kostengünstigeren alternativen Reparaturmethode ("Smart Repair") ausgeht. Sowohl außergerichtlich als auch bei Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen bildet das Gutachten regelmäßig die Grundlage zur Beurteilung der "Erforderlichkeit" i.S.d. § 249 BGB. Ebenfalls zu Recht wird daher die Bedeutung der Qualität der Sachverständigengutachten herausgestellt und zu Maßnahmen einer grundsätzlichen Verbesserung aufgefordert.

 

Rz. 178

In Anbetracht der Mehrzahl der denkbaren für eine alternative Reparaturmethode geeigneten Fahrzeugschäden und der in technischer Hinsicht sehr unterschiedlichen alternativen Reparaturmethoden dürfte eine abstrakte Bewertung, inwieweit sich der Geschädigte mit einer solchen begnügen muss, schwer fallen. In rechtlicher Hinsicht sollte allerdings selbstverständlich sein, dass die Reparatur im Wege einer alternativen Reparaturmethode beim Geschädigten zu keinerlei Nachteilen und Risiken führen darf. Nur wenn die alternative Reparaturmethode in jeglicher Hinsicht gegenüber der "klassischen" Reparaturmethode gleichwertig ist, kann der Schadensersatzanspruch im Rahmen der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB auf die Kosten der alternativen Reparaturmethode begrenzt sein (im Ergebnis ebenso Huber, zfs 2015, 424 ff.; Nugel, NZV 2015, 12 ff.).

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