Rz. 325

In der Regulierungspraxis kommt es immer wieder zu Konstellationen, wonach laut Gutachten die 130-%-Grenze nicht überschritten ist, die konkret ausgeführte Reparatur sie aber – teils nicht unerheblich – übersteigt. Auch hierzu hat die Rechtsprechung auf eine Ex-ante-Betrachtung abgestellt: Das diesbezügliche Prognoserisiko trägt ausschließlich der Schädiger (BGH NJW 1992, 305 ff. = zfs 1992, 9 = DAR 1992, 25 ff.; OLG München zfs 1992, 304; OLG Frankfurt NZV 2001, 348).

 

Rz. 326

 

Tipp

Wenn die Reparaturkostenprognose gemäß Sachverständigengutachten eine Reparatur zulässt, weil die 130-%-Grenze nicht überschritten wird, die tatsächlichen Reparaturkosten aber diese Grenze dann letztlich doch übersteigen, sind gleichwohl die konkreten Reparaturkosten zu ersetzen. Der Geschädigte kann sich also stets auf die Prognose laut Sachverständigengutachten verlassen.

Eine Ausnahme ist nach OLG Bremen (zfs 2010, 499) allerdings dann anzunehmen, wenn sich noch vor Erteilung des Reparaturauftrages durch eine Zerlegung des Fahrzeugs herausstellt, dass die 130-%-Grenze entgegen der ursprünglichen Prognose überschritten wird. In diesem Fall hat der Geschädigte von der Reparatur Abstand zu nehmen und kann lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand zuzüglich der Kosten der Zerlegung des Fahrzeugs ersetzt verlangen.

Problematisch erscheint die durch das OLG Celle (r+s 2018, 161) angenommene Ausnahme, obwohl der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige noch knapp unterhalb der 130-%-Grenze liegende Reparaturkosten ermittelt hat, weil sowohl der Sachverständige als auch die vom Geschädigten befragten Werkstätten auf die Unwirtschaftlichkeit der Reparatur hingewiesen hätten, sodass der Geschädigte das Risiko der späteren wesentlichen Überschreitung der 130-%-Grenze ausnahmsweise selbst zu tragen habe. Die Problematik der Entscheidung folgt daraus, dass eine Reparatur zu Kosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes (und damit regelmäßig deutlich oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes) im Bereich der 130-%-Grenze aus technischer (und ökonomischer) Sicht stets unwirtschaftlich ist. Gerade darin liegt die Besonderheit der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH, wonach die Kosten einer an sich unwirtschaftlichen Reparatur allein wegen des Integritätsinteresses des Geschädigten (Erhalt seines vertrauten Fahrzeugs) gleichwohl als erstattungsfähig angesehen werden. Die Argumente des OLG Celle überzeugen daher nicht.

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