Rz. 424
Hier stellt sich das schon oben (siehe Rdn 130 ff.) angesprochene Problem, inwieweit sich der Schaden durch die zuerst erfolgte Abrechnung konkretisiert hat. Wertet man die Abrechnung des Geschädigten als die Ausübung eines Wahlrechtes, so würde eine Konkretisierung auf die zuerst vorgenommene Abrechnung (fiktiv oder konkret) eintreten.
Rz. 425
Lemcke (Gefährdungshaftung im Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Änderungen durch das 2. SchadÄndG, zfs 2002, 318) tendiert dahin, dass derjenige, der zunächst vorbehaltlos fiktiv abrechnet, nicht noch nachträglich Nachforderungen (etwa Mehrwertsteuerersatz) stellen kann, ebenso wenig wie der Versicherer zur (Teil-)Rückforderung berechtigt ist, wenn er erfährt, dass die Reparatur billiger gewesen ist. Zwar sind nachträgliche Schadensentwicklungen zu berücksichtigen, aber nur bis zu einer gerichtlichen Entscheidung oder bis zur außergerichtlichen Schadensabrechnung.
Rz. 426
Man wird aber wohl – soweit man keine anders lautenden Erklärungen hat – in der bloßen Abrechnung noch nicht notwendigerweise einen Verzicht auf Nachberechnungen sehen können. Auch weil die Anforderungen der Rechtsprechung an einen Verzicht hoch sind, wird man i.d.R. in einer bloßen Abrechnung noch nicht notwendigerweise die bindende Ausübung eines Wahlrechtes entweder für eine fiktive oder eine konkrete Abrechnung sehen können.
Rz. 427
In diesem Sinne hat der BGH bestätigt, dass der Geschädigte grundsätzlich auch nach vorangegangener fiktiver Abrechnung entsprechend dem Wiederbeschaffungsaufwand noch zur konkreten Abrechnung des Reparaturaufwandes nach Durchführung der Reparatur wechseln kann, es sei denn, es ist bereits ein Abfindungsvergleich geschlossen worden (BGH VersR 2007, 82 = NZV 2007, 27; Wellner, Kfz-Schadensabrechnungs-Übersicht, NZV 2007, 401). Das hat allerdings die wenig praxisnahe Auswirkung, dass u.U. noch Jahre später (soweit noch nicht verjährt) Nachberechnungen erfolgen können, d.h. dass derjenige, der bisher nach Gutachten fiktiv den Nettobetrag abgerechnet hat, nun unter Vorlage der mit Mehrwertsteuer gezahlten Reparaturrechnung den Mehrwertsteuerbetrag nachfordern kann.
Rz. 428
Allerdings gilt dann wiederum das bereits Ausgeführte (siehe Rdn 422 f.). Sind die Kosten der ordnungs- und fachgerechten Reparatur niedriger, dann wird dies auch zu berücksichtigen sein (wie auch umgekehrt). Allerdings kann die Akte so lange auch nicht abgeschlossen werden, u.U. also bis zum Eintritt der Verjährung, folglich mindestens drei Jahre lang (den Umstand der Verjährung erst zum Jahresende sowie die Hemmung während der Verhandlungen noch nicht eingerechnet)!