1. Historie
Rz. 384
Ursprünglich sollte das Recht auf fiktiven Schadensersatz qua Gesetz völlig beschnitten werden (2. Schadensrechtsänderungsgesetz vom 19.7.2002, BGBl I S. 2674 ff.). Der fragliche Passus sollte lauten: "Im Falle des Verzichts auf eine Wiederherstellung oder bei einer Wiederherstellung in sonstiger Weise bleiben die in den Kosten nach Satz 1 enthaltenen öffentlichen Abgaben bei der Feststellung des Schadensersatzes außer Ansatz. Ein zusätzlicher Minderwert kann nicht geltend gemacht werden."
Rz. 385
Wie in der Begründung des Referentenentwurfes ausgeführt, hatte der Gesetzgeber also erwogen, die fiktive Abrechnung vollständig abzuschaffen und den Schadensausgleich danach zu bemessen, was tatsächlich zur Schadensbeseitigung aufgewandt wird (Referentenentwurf, Begründung, S. 8). Dies war jedoch politisch nicht durchsetzbar und erschien dem Gesetzgeber als ein zu weitgehender Eingriff in die von der Rechtsprechung anerkannte Form der umfassenden fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten (Referentenentwurf, Begründung, S. 8).
Rz. 386
Mangels Handhabbarkeit ist auch die Möglichkeit verworfen worden, nicht nur die Mehrwertsteuer, sondern alle öffentlichen Abgaben (z.B. auch Lohnnebenkosten, Steuern, Abgaben etc. – als sog. durchlaufende Posten –) von der Neuregelung zu erfassen (dies war noch in dem Entwurf aus der 13. Legislaturperiode vorgesehen, s. Begründung S. 7). Dies hätte geschätzt einen Betrag von 25–30 % ausgemacht, was aber praktisch nicht handhabbar war, sodass der Gesetzgeber sich bei seinem Entwurf auf den großen Faktor unter den durchlaufenden Posten, den abgrenzbaren Betrag der Umsatzsteuer (derzeit 19 %) beschränkt hat (Referentenentwurf, Begründung, S. 8).
Rz. 387
Damit würde der Geschädigte nicht mehr den Marktpreis erhalten, der zur Schadensbehebung erforderlich ist. Erfreulicherweise ist dieser Gesetzesentwurf nicht verabschiedet worden. Ein Bruch mit der rechtssystematisch überzeugenden Rechtsprechung zu Lasten des Geschädigten konnte damit zunächst vermieden werden (mehr dazu bei Kleine-Cosack, Systembruch zu Lasten des Geschädigten, DAR 1998, 180 ff.; Menken, Die Abschaffung der Naturalrestitution – ein Geschenk für die Versicherungswirtschaft, DAR 1998, 250).
Rz. 388
Der 38. Verkehrsgerichtstag 2000 hatte sich wiederum mit diesem Problemkreis zu befassen. Auf Betreiben der Versicherer wurde erneut diskutiert, ob § 249 BGB nicht vollständig geändert bzw. um einen Satz 3 ergänzt werden sollte, damit der fiktiven Schadensabrechnung entgegengewirkt werden kann. Die Versicherer dachten dabei an einen pauschalen Abzug von 25 %, zumindest aber 16 %, also in Höhe der seinerzeitigen Mehrwertsteuer, bei nicht durchgeführter Reparatur.
Rz. 389
Das hat der Arbeitskreis III mit folgender Entschließung abgelehnt:
Zitat
"Eine Änderung der Berechnung des Schadensersatzes (§ 249 BGB) wird abgelehnt. Der Geschädigte darf auch in Fällen der so genannten fiktiven Reparaturkostenabrechnung nicht in seiner Freiheit, über den vollen ungeschmälerten Entschädigungsbetrag verfügen zu dürfen, eingeschränkt werden."
2. Seit dem 1.8.2002 geltendes Recht
Rz. 390
Gleichwohl und gegen die dringenden Empfehlungen bedeutender Schadensrechtler ist aber folgende Änderung des Gesetzestextes eingeführt worden:
Zitat
§ 249 BGB
(1) Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Rz. 391
Schon diese Änderung barg nicht unerheblichen Zündstoff. Zwar wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abrechnung des Kfz-Schadens nicht verändert. Zu den bisherigen Streitfragen und Problemfällen sind jedoch durch das Gesetz neue hinzukommen.
Rz. 392
Mit dieser Änderung ist der Umfang des Schadensersatzes neu gestaltet worden. Dabei sollte zwar der Grundsatz der Naturalrestitution auch weiterhin das bestimmende Prinzip bleiben. Der Geschädigte sollte – wahlweise – auch weiterhin die Herstellung des ursprünglichen Zustands durch den Schädiger (§ 249 Abs. 1 BGB) oder den hierfür erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) verlangen können.
Rz. 393
Ein Schwerpunkt der Änderung lag jedoch in einer Modifizierung der Abrechnung von Sachschäden. Ausgangspunkt der Überlegungen des Gesetzgebers waren die drei wesentlichen Grundsätze, die das Schadensersatzrecht bestimmen:
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der Grundsatz der Totalreparation, der einen vollständigen Schadensausgleich für den Geschädigten vorsieht, |
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der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, nach dem von mehreren gleichwertigen Wegen zur Schadensbeseitigung der wirtschaftlich vernünftigste zu wählen ist, |
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und das Verbot einer Überkompensation, nach dem der Schadensersatz nicht über die Wiederhe... |