a) Grundsätzliches
Rz. 134
Erlangt das Nachlassgericht Kenntnis vom Vorliegen einer letztwilligen Verfügung und liefert der Besitzer diese nicht ab, so ergeht eine Ablieferungsanordnung, § 358 FamFG. Demnach wird der Besitzer des Testamentes aufgefordert, dieses unverzüglich, spätestens binnen einer bestimmten Frist beim Nachlassgericht abzuliefern. Darüber hinaus soll der Besitzer ggf. weitere Angaben entsprechend einem Fragebogen des Nachlassgerichts machen.
b) Durchsetzung der Ablieferungsanordnung
Rz. 135
Wird nach Ablauf der in der Ablieferungsanordnung gesetzten Frist das Testament gleichwohl nicht abgeliefert, kann das Amtsgericht die Ablieferung erzwingen, §§ 358, 86 FamFG.
Dazu kann ein Zwangsgeld angedroht und festgesetzt werden, § 35 Abs. 1 und 3 FamFG. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25.000 EUR nicht übersteigen, § 35 Abs. 3 FamFG. Es kann auch Zwangshaft angeordnet werden, § 35 Abs. 1 S. 2, 3 FamFG.
Das Nachlassgericht kann aber auch die Herausgabevollstreckung betreiben, § 35 Abs. 4 FamFG. Es wird dann der Gerichtsvollzieher beauftragt, das Testament dem Besitzer wegzunehmen.
Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass das Nachlassgericht den Besitzer zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der letztwilligen Verfügung anhält, § 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2 ZPO. Der mutmaßliche Besitzer muss dann versichern, "dass er das Testament nicht besitze und nicht wisse, wo es sich befinde", § 883 Abs. 2 ZPO. Für das Verfahren gelten im Übrigen die §§ 883 Abs. 2–3, 478–480, 483 ZPO. Es handelt sich bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 35 Abs. 4 FamFG um ein eigenständiges Verfahren, das neben der eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Abs. 3 FamFG zu sehen ist. Obwohl es sich um ein Amtsverfahren handelt, können die Beteiligten die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anregen.
Rz. 136
Das Nachlassgericht ist für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zuständig, § 358 FamFG. Funktionell obliegt sie dem Rechtspfleger, § 3 Nr. 2 Buchst. c RPflG. Dieser lädt den mutmaßlichen Besitzer zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, § 35 Abs. 4 FamFG, § 802f Abs. 1 ZPO. Erscheint dieser daraufhin nicht zum Termin oder verweigert er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos, so kann von Amts wegen Haft angeordnet werden. Hierfür ist dann nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter zuständig, § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 RPflG.
Für den Vollzug des Haftbefehls beauftragt das Gericht den Gerichtsvollzieher, § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO. Dabei besteht anders als im Zwangsvollstreckungsverfahren keine Vorschusspflicht für die Haftkosten. Dies gilt auch, wenn ein Beteiligter die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt hat, da das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird.
c) Muster: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht: "Antrag" (Anregung) auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 358, 35 Abs. 4 FamFG
Rz. 137
Muster 7.22: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht: Antrag (Anregung) auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 358, 35 Abs. 4 FamFG
Muster 7.22: Ablieferung eines Testaments beim Nachlassgericht: "Antrag" (Anregung) auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 358, 35 Abs. 4 FamFG
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Ablieferung eines Testaments gem. § 2259 BGB; Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 358, 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2 ZPO
Nachlasssache _________________________
Unter Vorlage der beiliegenden Vollmacht zeige ich die Vertretung der Frau _________________________ an.
Der Erblasser errichtete am _________________________ ein privatschriftliches Testament, das er in seinem Tresor in seiner Villa in _________________________ aufbewahrte. Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Lebensgefährtin des Erblassers, Frau _________________________, die vor und auch nach dem Tode des Erblassers in der genannten Villa wohnt, die letztwillige Verfügung in Besitz hat. Trotz mehrfacher Aufforderung, auch unter Hinweis auf § 2259 BGB, das Testament abzuliefern, erfolgte keine Reaktion der Frau _________________________. Ich beantrage daher, der Frau _________________________ gem. §§ 358, 35 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 883 Abs. 2 ZPO die Abgabe folgender eidesstattlichen Versicherung aufzuerlegen:
"Ich versichere an Eides statt, dass ich die Testamentsurkunde des _________________________ vom _________________________ nicht besitze und auch nicht weiß, wo sie sich befindet."
Sollte Frau _________________________ zu dem dazu anberaumten Termin nicht erscheinen oder ohne Grund die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigern, wird weiters beantragt, zur Erzwingung der Abgabe die Haft anzuordnen.
(Rechtsanwalt)
d) Rechtsmittel
Rz. 138
Der vermeintliche Besitzer des Testaments kann sich mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG gegen die Anordnung der Ablieferung wehren. Gegen den Beschluss, der Zwangsmaßnahmen anordnet, ist die sofortige Beschwerde analog §§ 567 ff. ZPO statthaft, § 35 Abs. 5 FamFG.
e) Muster: Beschwerde gegen die Ablieferungsanordnung
Rz. 139
Muster 7.23...