I. Verfahrensrechtliche Besonderheiten in Bezug auf das Gericht
Rz. 1
Über die Nachlasssachen, insbesondere über die Erteilung eines Erbscheins, wird im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des FamFG. Daneben sind noch die Vorschriften des Rechtspflegergesetzes, des Beurkundungsgesetzes, des Gerichts- und Notarkostengesetzes, der Zivilprozessordnung und der §§ 2353 ff. BGB zu beachten.
Rz. 2
Das Nachlassverfahren wird im 4. Buch des FamFG, in den §§ 342 ff., geregelt.
1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug
a) Amtsgericht
Rz. 3
Eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Amts- und Landgericht nach Streitwert kennt das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Grundsätzlich sind die Amtsgerichte erstinstanzlich zur Entscheidung berufen. So ergibt sich die sachliche Zuständigkeit der Nachlassgerichte aus § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG.
Rz. 4
Nach dem FamFG ist die befristete Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf im nachlassgerichtlichen Verfahren, §§ 58 ff. FamFG (Näheres zu den Rechtsmitteln siehe Rdn 288 ff.).
b) Landgericht
Rz. 5
Das Landgericht ist zuständig für Beschwerden in Betreuungssachen, § 72 Abs. 1 S. 2 GVG.
c) Oberlandesgericht
Rz. 6
In Nachlassverfahren entscheidet über die (befristete) Beschwerde das Oberlandesgericht, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG.
d) Bundesgerichtshof
Rz. 7
Der BGH entscheidet über die von den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsbeschwerden, §§ 70 ff. FamFG.
2. Funktionelle Zuständigkeit
Rz. 8
Beim Amtsgericht können sowohl der Richter als auch der Rechtspfleger zuständig sein. Man spricht bei dieser Abgrenzung von funktioneller Zuständigkeit. Maßgeblich für die Zuteilung ist dabei das Rechtspflegergesetz.
a) Vollübertragung
Rz. 9
In vollem Umfang sind vor allem Register-, Grundbuch- und Vereinssachen dem Rechtspfleger zur Entscheidung übertragen, § 3 Nr. 1 RPflG.
b) Vorbehaltsübertragung
Rz. 10
Bestimmte Geschäfte sind dem Rechtspfleger grundsätzlich zugewiesen, es sei denn, dass unter näher bezeichneten Voraussetzungen ein Richtervorbehalt gegeben ist. Dabei ist § 3 Nr. 2 RPflG in Zusammenhang mit §§ 14–19b RPflG zu lesen.
Für Nachlasssachen bestimmt § 16 RPflG, dass bestimmte Angelegenheiten dem Richter vorbehalten sind. So ist z.B. bei der Erbscheinserteilung der Richter zur Entscheidung berufen, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder wenn die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt, § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG. Entsprechendes gilt für den Fall der Einziehung eines Erbscheins, der vom Richter erteilt wurde, oder wenn der Erbschein aufgrund einer Verfügung von Todes wegen einzuziehen ist, § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG.
Rz. 11
In Verfahren im Zusammenhang mit dem Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) bleiben die Ausstellung, Berichtigung, Änderung oder der Widerruf eines ENZ (§ 33 Nr. 1 IntErbRVG) sowie die Aussetzung der Wirkungen eines ENZ (§ 33 Nr. 3 IntErbRVG) dem Richter vorbehalten, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt, § 16 Abs. 2 RPflG. Wenn trotz Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich ist und deutsches Erbrecht anzuwenden ist, kann der Richter dem Rechtspfleger gem. § 16 Abs. 3 RPflG folgende Angelegenheiten übertragen: 1. die Erteilung eines Erbscheins; 2. die Ausstellung eines ENZ; 3. die Erteilung eines Zeugnisses nach den §§ 36 und 37 GBO oder den §§ 42 und 74 SchRegO.
3. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 12
Für die örtliche Zuständigkeit fehlt es an einer allgemeinen Regelung im FamFG. Insoweit sind jeweils Sondervorschriften zu beachten. Für Nachlasssachen regelt § 343 FamFG die örtliche Zuständigkeit.
a) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt
Rz. 13
In Nachlasssachen ist in erster Linie das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, örtlich zuständig, § 343 Abs. 1 FamFG. Ein eventueller Zuständigkeitsstreit ist durch das gemeinschaftliche obere Gericht zu entscheiden, § 5 FamFG.
b) Aufenthalt
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 14
Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, § 343 Abs. 2 FamFG. Bei einem Deutschen ohne Aufenthalt im Inland zum Zeitpunkt des Todes oder vorher ist das AG Berlin-Schöneberg zuständig, § 343 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 FamFG. Gleiches gilt, wenn der Erblasser Ausländer war und sich im Inland Nachlassgegenstände befinden, § 343 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FamFG. Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen, § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Verweisung durch das Amtsgericht Schöneberg an ein anderes Gericht kann nur dann erfolgen, wenn eine einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt ist. Das Befinden von Nachlassgegenständen in einem anderen Gerichtsbezirk reicht allein nicht aus. Ein formularmäßiger Verweisungsbeschluss entfaltet keine Bindungswirkung.
bb) Muster: Antrag zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 5 FamFG
Rz. 15
Muster 7.1: Antrag zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 5 FamFG
M...