Rz. 260
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Vorliegen eines erteilten Erbscheins |
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Erbschein muss bereits ausgehändigt sein |
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Unrichtigkeit des Erbscheins |
aa) Formelle Fehlerhaftigkeit
Rz. 261
Bei schweren Verfahrensfehlern, insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen, ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen (h.M., die über den Wortlaut des § 2361 BGB hinausgeht; vgl. Muster Rdn 263).
Beispiele aus der Rechtsprechung:
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Erteilung abweichend vom Antrag oder ohne Antrag; |
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Antragstellung durch einen nicht antragsberechtigten Beteiligten (jedoch kann dieser Verstoß geheilt werden, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung des Erbscheins nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt); |
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Zuständigkeitsverstöße: Bei Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit sind auch sachlich richtige Erbscheine einzuziehen. Sonst bestünde die Gefahr widersprechender Erbscheine, da auch beim örtlich zuständigen Gericht ein Erbschein erteilt werden könnte. Bei Verstößen gegen die funktionelle Zuständigkeit ist zu differenzieren:
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Ein Einziehungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge erteilt, wenn hier nicht die Möglichkeit der Übertragung durch den Richter gem. §§ 8 Abs. 4, 16 Abs. 3 RPflG bestand. |
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Dagegen ist der Erbschein nicht einzuziehen, wenn deutsches Erbrecht anwendbar ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen war. Dazu führte das BayObLG aus: |
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Zitat
"Hat der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach deutschem Recht erteilt, so ist dieser nicht unrichtig, auch wenn für die Entscheidung über die Erteilung der Richter zuständig gewesen wäre, weil ein Beteiligter das Vorliegen eines Testaments behauptet hat. Das Nachlassgericht darf einen Erbschein nicht schon deshalb einziehen, weil sich aufgrund neuer Umstände oder vorläufiger Ermittlungen die Möglichkeit seiner Unrichtigkeit ergibt. Es darf über die Einziehung erst entscheiden, nachdem es den für die Beurteilung der Richtigkeit maßgeblichen Sachverhalt abschließend aufgeklärt hat."
Rz. 262
Hinweis
Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten, § 24 FamFG.
bb) Muster: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
Rz. 263
Muster 7.55: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
Muster 7.55: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Einziehung des Erbscheins
In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________ in _________________________, beantrage ich namens und im Auftrag meines Mandanten _________________________, den vom Amtsgericht _________________________ am _________________________ der Witwe des Erblassers, _________________________, erteilten Erbschein einzuziehen.
Unabhängig davon, ob der Erbschein materiell-rechtlich in Ordnung ist, hätte er so nicht erteilt werden dürfen, weil ein entsprechender Antrag der _________________________ gar nicht vorlag. Diese begehrte einen Erbschein, der sie als gesetzliche Erbin zu 1/2 ausweisen sollte. Das Nachlassgericht erteilte ihr, ohne dass der Antrag geändert wurde, einen Erbschein, der sie als Alleinerbin kraft letztwilliger Verfügung ausweist. Bereits insoweit ist der unrichtige Erbschein gem. § 2361 BGB, § 353 FamFG einzuziehen.
Darüber hinaus entspricht der Inhalt des Erbscheins auch nicht der materiellen Rechtslage, weil _________________________ (ggf. weiter ausführen).
(Rechtsanwalt)
cc) Materielle Unrichtigkeit
Rz. 264
Der Erbschein ist einzuziehen, wenn er sachlich unrichtig ist, § 2361 BGB. In der Praxis kann sich die materielle Unrichtigkeit vor allem ergeben, wenn ein Testament vom Gericht falsch ausgelegt, nachträglich ein jüngeres widersprechendes Testament gefunden oder eine wirksame Anfechtung erklärt wurde.
Rz. 265
Beispiele
Falscher Erbe oder Erbteil, fehlende Beschränkung, falscher Berufungsgrund (wenn dann eine falsche Quote angenommen wird).
Rz. 266
Ein Erbschein ist auch dann unrichtig, wenn in ihm eine angeordnete Nacherbfolge nicht angegeben ist. Bei Anordnung einer bedingten Nacherbschaft, z.B. bei Wiederverheiratungsklauseln, kann ein ursprünglich korrekter Erbschein durch Eintritt der Bedingung unrichtig werden.
Rz. 267
Hinweis
Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten, § 24 FamFG.
Rz. 268
Erlangt das Nachlassgericht, gleich auf welchem Wege, Kenntnis von der möglichen Unrichtigkeit eines Erbscheins, hat es von Amts wegen die notwendigen Ermittlungen durchzuführen.
Umstritten sind die Reichweite der Ermittlungspflicht und die Frage, welches Maß an gerichtlicher Überze...