Rz. 72
Die Übertragung des Geschäfts eines Einzelkaufmanns, die Gründung einer OHG oder die Aufnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters in eine bestehende OHG stellt nach der Rechtsprechung des BGH und Stimmen im Schrifttum grundsätzlich keine ergänzungspflichtige Schenkung dar, auch wenn die Aufnahme unter besonders günstigen Bedingungen für den Eintretenden, ja auch ohne besonders vereinbarte Gegenleistung erfolgt. In der Übernahme der Pflichten eines Gesellschafters, insbesondere in dem regelmäßig geschuldeten Einsatz seiner vollen Arbeitskraft für das Unternehmen, und vor allem in der Übernahme der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft liege eine entsprechende Gegenleistung. Der Gesellschaftsrechts-Senat des BGH betonte in diesem Zusammenhang das Interesse an der Fortführung des Unternehmens über den Tod eines Gesellschafters hinaus, und zwar unter möglichst weitgehender Vermeidung von Abfindungsansprüchen, die die Fortführung erschweren könnten. Auch die Fortsetzung der Gesellschaft unter Ausschluss von Abfindungsansprüchen stelle grundsätzlich keine ergänzungsbedürftige Schenkung dar, wenn die Ausschlussklausel beim Tod eines jeden Gesellschafters eingreife, da es sich dann um ein entgeltliches, aleatorisches Geschäft (Wagnisgeschäft) handele, weil der Chance jeden Gesellschafters, seinen Anteil zu vergrößern, das Risiko des Anteilsverlusts im Todesfall gegenüberstehe (vgl. § 15 Rdn 17). Im Grundsatz stellt sich die Problemlage auch im Fall der GbR (siehe Rdn 76), denn auch dort kommt es zur vollen persönlichen Haftung.
Rz. 73
Jedoch hat der BGH die Auffassung vom Vorliegen einer Gegenleistung eingeschränkt und festgestellt, dass im Einzelfall eine (gemischte) Schenkung vorliegen könne. Er hat eine Gesamtbetrachtung der gesellschaftsrechtlichen Regelung und aller maßgeblichen Umstände vorgenommen. Als Indizien für eine gemischte Schenkung wurde etwa angenommen, dass dem verbleibenden Gesellschafter nach dem Tod des anderen ein Übernahmerecht unter Ausschluss aller Abfindungsansprüche eingeräumt wurde, die Einlageverpflichtung binnen kurzer Zeit aus den zugeflossenen Gewinnen erfüllt werden konnte und die Vertragsteile von einer unterschiedlichen Lebenserwartung infolge einer schweren Erkrankung des bisherigen Geschäftsinhabers ausgingen (Gehirntumor), was für eine Schenkungsabrede spreche. Ein objektiv grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet aber auch hier eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten sich über die Unentgeltlichkeit einig waren. Bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung seien insbesondere Kapitaleinsatz, Arbeitsleistung, Haftungsrisiko und die für den Todesfall getroffene Abfindungsregelung zu beachten.
Rz. 74
Praxishinweis
Daher wird für die Gestaltungspraxis empfohlen, bei unterschiedlicher Lebenserwartung auf eine adäquate Einlage des Beitretenden zu achten; letztlich soll es auf die Ausgestaltung im Einzelfall ankommen. Eine "gewollte Risikodisparität" sei zu vermeiden.
Rz. 75
J. Mayer hat in der ersten Auflage des Werkes (2003) ausgeführt, dass die h.M. der wahren Sachlage nicht gerecht werde. Die unbeschränkte Haftung und die Geschäftsführertätigkeit seien keine "Gegenleistung", die jemand für die Einräumung der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter vertraglich verspreche, sondern Teil der gesetzlich umschriebenen Gesellschafterstellung selbst. Sie werde als Ganzes zugewandt; die damit verbundenen Haftungsrisiken und Belastungen fänden nur mittelbar bei der Bewertung der Gesellschaftsbeteiligung Berücksichtigung. Liege eine Zuwendung einer Gesellschafterstellung als Vollhafter an einer "gesunden" Gesellschaft vor, so handele es sich regelmäßig um eine Schenkung. Dogmatisch scheint die Position der zumindest in der Rechtsprechung h.M. tatsächlich angreifbar. Der Begriff der Unentgeltlichkeit in § 516 Abs. 1 BGB wird klassisch danach abgegrenzt, ob die Zuwendung von einer Gegenleistung abhängt oder nicht. Allerdings muss die Gegenleistung selbst keinen Geldwert aufweisen oder vermögensrechtlich sein. Man könnte spitzfindig die Übernahme der Pflichten und Risiken auch als Befreiung des übertragenden Gesellschafters von eben diesen Pflichten und Risiken durch den Übernehmer qualifizieren, was sogar einen Vermögenswert enthielte. Selbst wenn man es auf Ebene der Bewertung löst, dass nämlich der übergehende Gesellschaftsanteil insofern keine Bereicherung, d.h. keinen positiven Wert verschafft, da der Übernehmer für die Bereicherung einiges aufwenden (Arbeitsleistung) und in Kauf nehmen (volle Haftung) muss, steht am Ende das praktische Ergebnis der in der Rechtsprechung bislang h.M. keine pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkung.
Rz. 76
Die Auffassung, dass die Übertragung einer persönlichen haftenden Gesellschafterstellung keine Schenkung sei, wird gescholten, da z.B. bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften in der Rechtsform einer GbR ode...