Rz. 144
Der Güterstand von Ehegatten oder der Vermögensstand von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern beeinflusst – wie auch sonst im Pflichtteilsrecht – die Berechnung der Pflichtteilsergänzung.
Rz. 145
Lebte der Erblasser in Zugewinngemeinschaft, so ist vor allem § 1371 BGB zu beachten.[416] Die Zugewinngemeinschaft verändert dabei nicht nur die Erb- und Pflichtteilsquoten, sondern reduziert als Nachlassverbindlichkeit auch den Nachlasswert durch die vorweg zu berücksichtigende Zugewinnausgleichsforderung (siehe § 5 Rdn 37). Die Schenkung wird dabei u.U. doppelt berücksichtigt: Sie kann die Ausgleichsforderung nach § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB erhöhen und wird aber außerdem nochmals zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs dem Nachlass hinzugerechnet.[417] An einer dem § 2316 BGB entsprechenden Regelung oder einer sonstigen Regelung, die die doppelte Berücksichtigung untersagt, fehlt es, so dass die gesamte Schenkung nochmals bei § 2325 BGB berücksichtigt werden muss. Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil bei einem nur teilweisen Ansatz im Rahmen der Pflichtteilsergänzung die anderen Pflichtteilsberechtigten zusätzlich benachteiligt würden.[418]
Rz. 146
Kommt es daher zur güterrechtlichen Lösung nach § 1371 Abs. 2 BGB, ist vor der eigentlichen Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wie folgt vorzugehen:[419]
(1) | Für beide Ehegatten: Berechnung des Anfangsvermögens (§ 1374 BGB), berichtigt um den Kaufkraftschwund, und des Endvermögens (§ 1375 BGB), wobei der Wert der Schenkung nach § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB (fiktiv) dem Endvermögen hinzuzurechnen ist; |
(2) | Feststellung der Zugewinnausgleichsforderung nach § 1378 BGB; |
(3) | Ermittlung des Nettonachlasses durch Abzug der Zugewinnausgleichsforderung (vgl. auch § 5 Rdn 37 f. m.w.N.); |
(4) | Ermittlung des Ergänzungspflichtteils, wie vorstehend dargelegt (siehe Rdn 137 ff.). |
Beispiel
Erblasser hinterlässt eine Witwe W (Zugewinngemeinschaftsehe, beide Anfangsvermögen 0 EUR) und zwei Kinder S und T. Der Nachlass beträgt 200.000 EUR und unterliegt voll dem Zugewinnausgleich. Schenkungen an Dritte erfolgten i.H.v. 40.000 EUR. W selbst hatte keinen Zugewinn. Erbe ist der Fremde F.[420]
Zugewinnausgleich W: (200.000 EUR + 40.000 EUR) : 2 = 120.000 EUR (§ 1375 Abs. 2 BGB).
Realer Nachlass: 200.000 EUR – 120.000 EUR = 80.000 EUR
Pflichtteilsanspruch: für W 10.000 EUR (⅛), für S und T je 15.000 EUR (je 3/16)
Pflichtteilsergänzung: für W 5.000 EUR, für S und T je 7.500 EUR.
Insgesamt erhalten W 135.000 EUR, S und T je 22.500 EUR.
Kontrollrechnung:[421] Was hätten die Pflichtteilsberechtigten erhalten, wenn die ergänzungspflichtigen Schenkungen unterblieben wären?
Tatsächlicher Nachlass dann: | 240.000 EUR | |
Zugewinnausgleich W: | 240.000 EUR : 2 = | 120.000 EUR |
Restnachlass | 120.000 EUR | |
Pflichtteil W | 120.000 EUR : 8 = | 15.000 EUR |
Pflichtteil S und T je | 120.000 EUR : 3/16 = | 22.500 EUR |
Ergebnis: Alle Pflichtteilsberechtigten erhalten also trotz des "doppelten Geschenkansatzes" für W bei der Pflichtteilsergänzung das Gleiche, wie wenn die Schenkung unterblieben wäre.
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