Rz. 78
Wenn im Gesellschaftsvertrag keine andere Regelung bestimmt ist, wird beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den Mitgesellschaftern fortgesetzt (gesetzliche Regelung bei der OHG und KG, vgl. § 130 Abs. 1 Nr. 1 HGB; § 723 Abs. 1 Nr. 1 BGB); die Gesellschaftsbeteiligung gehört nicht zum Nachlass. Sie kann daher nicht unmittelbar Gegenstand des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs sein. Das gilt jedenfalls für GbR-Gesellschafter, Partner einer Partnerschaftsgesellschaft und Komplementäre einer OHG oder KG, also für persönlich haftende Gesellschafter. Anders für Kommanditisten: Gem. § 177 HGB wird die Gesellschaft beim Tod eines Kommanditisten mangels abweichender vertraglicher Bestimmungen mit den Erben fortgesetzt. Der Mitgliedschaftswert bildet einen Nachlassbestandteil und unterliegt dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch.
Rz. 79
In den vorstehend genannten Fällen mit Ausnahme eines Kommanditanteils fällt in den Nachlass nur der nach § 728 Abs. 1 S. 1 BGB entstehende Abfindungsanspruch. In der Praxis wird dieser jedoch regelmäßig eingeschränkt, bisweilen sogar ganz ausgeschlossen, was gesellschaftsrechtlich für den Fall des Todes eines Gesellschafters einer Familiengesellschaft grundsätzlich zulässig ist. Dann kommt für den Pflichtteilsberechtigten allenfalls ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Betracht, wenn in der Abfindungsbeschränkung eine Schenkung i.S.v. § 2325 Abs. 1 BGB zu sehen ist.
Rz. 80
Da der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern anwächst (§ 712 Abs. 1 BGB), wird ihnen dadurch eine objektive Bereicherung zuteil, da diese nicht durch einen gleichwertigen Abfindungsanspruch kompensiert wird, sofern der Abfindungsanspruch beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen ist. Für die Frage, ob eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt, müsste es dann eigentlich nur darauf ankommen, ob das subjektive Tatbestandsmerkmal der Schenkungsabrede gegeben ist. Jedoch differenziert die h.M. nach anderen Kriterien, wohl weil ein entsprechender Wille der Gesellschafter in diesem Sinne kaum jeweils erkennbar scheint.
Rz. 81
Wird der Abfindungsausschluss für alle Gesellschafter vereinbart (sog. allseitiger Abfindungsausschluss), so geht die bislang h.M. davon aus, dass der damit für die verbleibenden Gesellschafter durch Anwachsung entstehende Vermögenszuwachs ein entgeltlicher ist. Begründet wird dies zum einen mit dem Wagnischarakter ("aleatorisches Geschäft"), dass jeder Gesellschafter bei seinem Tod alles verlieren kann, aber auch die Chance habe, am Anteil des Verstorbenen beteiligt zu werden. Zum anderen handle es sich um eine Abrede mitgliedschaftlicher Art, die sich nicht aus dem Gesamtgefüge des Gesellschaftsvertrages herauslösen lasse und sich deshalb nicht ohne weiteres den Begriffen "entgeltlich" und "unentgeltlich" zuordnen lasse. Auch diese Ansicht nimmt jedoch bei einer "gewollten Risikodisparität" (z.B. großer Altersunterschied, schwere Erkrankung) eine Schenkung an.
Rz. 82
Die h.M. wird u.a. damit kritisiert, dass mit der Verneinung der Unentgeltlichkeit des Abfindungsauschlusses der Erblasser sein wesentliches Vermögen ungeschmälert ohne Pflichtteilsergänzungsansprüche durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen übertragen könnte. Wenn der Gesellschaftsanteil durch Anwachsung den anderen Gesellschaftern zuwächst, seien die Grundsätze der Pflichtteilsergänzung anzuwenden.
Rz. 83
Ferner wird die Auffassung der h.M., dass solche Klauseln auch zur Sicherung des Bestands der Gesellschaft vor einem Kapitalabfluss vereinbart werden, als nicht überzeugend kritisiert, da sich diese Problematik nur in den Ausnahmefällen des § 2329 BGB stelle, nicht aber im Regelfall, wenn der Pflichtteilsergänzungsanspruch vom Erben und nicht von den Gesellschaftern zu erfüllen sei. Außerdem liegen bei einem völligen Abfindungsausschluss regelmäßig gesellschaftsfremde Zwecke vor, nämlich die der Pflichtteilsreduzierung. Dem muss entgegengehalten werden, dass Abfindungsausschlüsse regelmäßig nicht deshalb vereinbart werden, um Pflichtteilsrechte zu reduzieren. Umgekehrt soll mit Abfindungsausschlüssen zunächst ein Existenzrisiko des Unternehmens durch zu hohe Liquiditätsbelastungen vermieden werden. Gesellschaften werden in erster Linie so gestaltet, dass sie erfolgreich am Wirtschaftsleben teilnehmen können und nicht, um Pflichtteilsansprüche zu beschränken. Diese umgekehrte Perspektive ist nicht dasselbe. Wenn damit auch Pflichtteilsansprüche reduziert werden, ist Letzteres in aller Regel nicht die Absicht, sondern lediglich die Nebenfolge eines anderen Ziels. Die Gespräche mit Eigentümern von mittelständischen Unternehmen und Familienunternehmen zeigen immer wieder den klaren Fokus auf den Erhalt des Unternehmens und dessen Wirtschaftskraft, die letztlich auch den Beschäftigten zugutekommt. Wer tatsächlich als Gesellschafter ausschließlich an die Pflichtteilsreduzierung ...