Rz. 64

Als pflichtteilsfeste Gestaltung wird auch ganz überwiegend das sog. Gütertrennungsmodell angesehen:[209] Hierzu wird in der Zugewinngemeinschaftsehe Gütertrennung vereinbart und zur Erfüllung des entstehenden Zugewinnausgleichsanspruchs nach den §§ 1372 ff. BGB ein entsprechender Vermögenswert übertragen.[210] Es soll eine unentgeltliche und somit ergänzungspflichtige Zuwendung dann vorliegen, wenn sie erheblich über dem rechnerischen Zugewinnausgleichsanspruch liegt.[211] Zur besonderen Rechtfertigung und als Unterschied zum Gütergemeinschaftsmodell wird hierzu auch als Begründung angegeben, dass nur das Vermögen ergänzungsfrei ausgeglichen und zugewandt werden soll, auf das der ausgleichsberechtigte Ehegatte aufgrund des Güterstands der Zugewinngemeinschaft (§§ 1372 ff. BGB) einen Anspruch hat, für das er also einen gleichwertigen Beitrag zur Vermögensbildung leistete.[212]

 

Rz. 65

In der Literatur mahnen einige Stimmen zur Vorsicht, ob das Gütertrennungsmodell ergänzungsfest ist.[213] Angesichts der großen Pflichtteilsfreundlichkeit, die die Rechtsprechung des BGH in vielen Zügen aufweist, bleibt es unsicher, wie der BGH diese Frage entscheide würde. Es erscheint zumindest nicht als abwegig, dass der BGH auch beim Gütertrennungsmodell die Kriterien anlegen könnte, die er zur Gütergemeinschaft entwickelt hat. Demnach müsste zwar auch der Grundsatz gelten, dass den Ehegatten die Neuordnung des Güterstands möglich ist und auch die Gläubiger die sich hieraus ergebenden Auswirkungen grundsätzlich hinnehmen müssen (siehe Rdn 61 f.).[214] Aber auch im Gütertrennungsmodell könnte dann ausnahmsweise die güterrechtliche causa, aus der sich zwangsläufig die aus dem Ehevertrag ergebende Bereicherung ergibt, durch einen schuldrechtlichen Schenkungsvertrag verdrängt werden, wenn man die Begründung des BGH auf das Gütertrennungsmodell zu übertragen können glaubt. Im Fall der Gütergemeinschaft sollte das nach der Rechtsprechung des BGH dann anzunehmen sein, wenn die Geschäftsabsichten der Ehegatten, die auf die Bereicherung des weniger "begüterten Teils" abzielen, auf ehefremde Zwecke gerichtet sind, bei denen es eben nicht nur um die Verwirklichung ehegüterrechtlicher Zwecke geht. Von den vom BGH dafür gegebenen Beispielen im Zusammenhang mit der Gütergemeinschaft ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es für die Annahme einer Ergänzungspflicht genügen soll, wenn der Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen (siehe Rdn 62, aber vor allem auch Rdn 66).[215] Besteht dagegen eine Mischung von Geschäftsabsichten, so dürfen die anderen Motive nicht nur vorgeschoben sein. Wie die Fälle zu behandeln sind, wenn die Absicht der Pflichtteilsreduzierung überwiegt, ist aber noch offen.[216]

 

Rz. 66

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass selbst dann, wenn das überwiegende oder gar einzige Motiv des Güterstandswechsels die Absicht ist, Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge zu minimieren, der Missbrauchsvorwurf sich seinerseits einem Vorwurf ausgesetzt sieht: Knüpft der Gesetzgeber an die ehelichen Güterstände unterschiedliche pflichtteilsrechtliche Folgen, sei es hinsichtlich der Pflichtteilsquote oder sei es hinsichtlich der Qualifikation des Zugewinnausgleichs als gesetzliche Verpflichtung, so darf es nicht verwundern, wenn Ehegatten auch oder überwiegend aus Gründen der Pflichtteilsreduzierung von ihrem privatautonomen Recht Gebrauch machen, den Güterstand zu wechseln. Es wäre dem Gesetzgeber möglich gewesen, im Rahmen der letzten Erbrechtsreform Vermögenszuwendungen wie z.B. die Erfüllung eines Zugewinnausgleichsanspruchs zwischen Ehegatten, die ihre Grundlage im ehelichen Güterrecht haben, im Wege einer Fiktion als Schenkung gem. § 2325 Abs. 3 BGB zu behandeln. Der Gesetzgeber hat dies jedoch nicht getan. Anders als im Normalfall einer Schenkung wird der Zugewinnausgleich als angemessene Beteiligung des ausgleichungsberechtigten Ehepartners an dem bis zum Stichtag enstandenen Vermögenszuwachs des ausgleichungspflichtigen Ehepartners angesehen, da der ausgleichsberechtigte Ehegatte – so jedenfalls die gesetzgeberische Vorstellung – den Vermögenszuwachs beim anderen Ehegatten mit ermöglicht hat.[217] Warum der Ausgleich durchgeführt wird, also z.B. zur Vorbereitung einer Scheidung oder um Pflichtteilsansprüche von Kindern zu reduzieren, erscheint nicht von Bedeutung, wenn dieser Ausgleichsanspruch als gesetzliche Verpflichtung besteht und als Ausdruck und Anerkennung der Leistungen der Ehegatten gilt. Auch eine weitere Parallelüberlegung schafft Klarheit: Adoptionen, die lediglich zur Schaffung eines weiteren Pflichtteilsberechtigten dienen und sich nicht auf ein Eltern-Kind-Verhältnis stützen können, werden aus Sicht des Erben- und Pflichtteilsschutzes als rechtsmissbräuchlich angesehen. Hier kann man den Gedanken nachvollziehen, dass eine solche Maßnahme von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden kann, wenn es keinen sachlichen Grund für die Adoption gibt und diese durc...

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