Rz. 55
Versucht man, die in der Literatur vertretenen Gegenauffassungen zu systematisieren, so ergibt sich folgendes Meinungsbild:
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Die eine Meinung geht für die Beurteilung der ehebezogenen Zuwendung als entgeltlich oder unentgeltlich primär von den Vorstellungen der Beteiligten aus, weil der entsprechende Wille bereits konstitutives Merkmal des Entgeltbegriffs ist. Dies zeige sich insbesondere bereits bei der Ausgangsfrage, inwieweit zwischen verschiedenen Leistungen eine Verknüpfung hergestellt wird (siehe Rdn 29 f.). Den Schutz berechtigter Drittinteressen, insbesondere des Pflichtteilsberechtigten, will man im Einzelfall mit dem Rechtsmissbrauchsgedanken verwirklichen. |
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Eine andere Auffassung bejaht die Ergänzungsfestigkeit insoweit, als die Zuwendung, wären sich die Vertragsteile über die Unentgeltlichkeit einig gewesen, als Pflicht- oder Anstandsschenkung nach § 2330 BGB oder aufgrund einer wenigstens nachträglichen Entgeltvereinbarung dem Anspruch aus § 2325 BGB entzogen gewesen wäre. |
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Andere stellen auf güterrechtliche Überlegungen ab und verneinen eine Ergänzungspflicht insoweit, als der Wert der Zuwendung einem fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch des Erwerbers entspricht. |
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Und schließlich wird eine Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Belange des überlebenden Ehegatten befürwortet. |
Rz. 56
Als besonders unbillig wird dabei im Kontext mit der ersten Fallgruppe folgende Situation angesehen: Die Ehegatten erwerben das Familienwohnheim zwar als Miteigentümer je zur Hälfte, der alleinverdienende Ehegatte finanziert aber den gesamten Erwerb. Die Eheleute setzten sich dann nach dem Muster des Berliner Testaments (§ 2269 BGB) gegenseitig zu Alleinerben ein, als Schlusserben die gemeinsamen Kinder. Nach dem Tod des Alleinverdieners müsse dann aber der überlebende Ehegatte diesen den Pflichtteil nicht nur aus dem Miteigentumsanteil des Verstorbenen bezahlen, sondern – wegen dessen Finanzierungsbeitrags – sogar auch aus seinem eigenen Hausanteil. Und dies, obgleich die Kinder als Schlusserben ja ohnehin das Familienwohnheim erben würden. Der letztgenannte Einwand ist i.d.R. schon deshalb nicht zutreffend, weil aufgrund der meist vereinbarten Pflichtteilsklauseln oder wenigstens der vorbehaltenen Änderungsmöglichkeit der Längerlebende den den Pflichtteil Fordernden für den Schlusserbfall auf den Pflichtteil setzen wird. Im Übrigen wird hier ein Vorwurf erhoben, der das Berliner Testament mit seinem doppelten Erbgang betrifft und nicht die Möglichkeit der Absicherung des Ehegatten: Bei sofortiger Zuwendung des Familienwohnheims an einen Abkömmling gegen Einräumung eines Nießbrauchs oder Wohnungsrechts für den überlebenden Ehegatten hätte sich die doppelte Pflichtteilsbelastung vermeiden lassen, zumal der Längerlebende seinen Pflichtteil gegen die Kürzung seines Vermächtnisses systemkonform nach § 2318 Abs. 3 BGB hätte verteidigen können.
Rz. 57
Trotzdem wird die Frage nach den Grenzen dieser Rechtsprechung immer wieder gestellt, was z.B. unter dem Schlagwort "legitime Vermögensteilhabe des Ehegatten" diskutiert wird. Hier werden insbesondere güterrechtliche Ansätze gewählt, etwa dass für eine gegen § 2325 BGB anspruchsfeste Zuwendung für die Verteilung des ehezeitlichen Vermögenserwerbs in Anlehnung an den Halbteilungsgrundsatz der Zugewinngemeinschaft die hälftige Beteiligung gesehen werden müsse. Zur Problemlösung entwickelte etwa Langenfeld Fallgruppen und folgerte, dass die "je hälftige Eigentumszuordnung am Familienheim" gegen Ansprüche nach §§ 2325, 2287 f. BGB Bestand haben müsse, zumal der u.U. vorliegende höhere finanzielle Beitrag des einen Ehegatten durch einen andersartigen des anderen zur ehelichen Lebensgemeinschaft kompensiert werden könne. Allerdings muss bedacht werden, dass die Interessen des anderen Ehegatten systemkonform im gesetzlichen Güterstand grundsätzlich durch den (erb- oder güterrechtlichen) Zugewinnausgleich berücksichtigt werden; bei Gütertrennung oder Gütergemeinschaft geschieht dies allerdings nicht so stark, aber immer noch durch den Ehegattenerbteil, der auch den Pflichtteil der anderen Pflichtteilsberechtigten reduziert. Soweit dieser kleiner ist als der in der Zugewinngemeinschaft, beruht dies auf einer bewussten Entscheidung der Ehepartner, den für den überlebenden Ehegatten günstigen Güterstand abzuwählen. Und nach dem Gesetz gibt es eine Möglichkeit zum Zugewinnausgleich nur, wenn der Güterstand beendet wird (dies tritt auch in den Fällen des vorzeitigen Zugewinnausgleichs nach §§ 1385, 1386 BGB ein). Demgegenüber würde die Auffassung von Langenfeld und Hayler zu einer Doppelbegünstigung des überlebenden zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten führen: Zunächst erhält er seine "legitimen Vermögensteile" bis zur Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs und dann im Erbfall noch seinen nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Erbteil zu Lasten der anderen Pflichtteilsberechtigten. Diese Argumentation würdigt ferner nicht, d...