a) Grundzüge und Grundbegriffe
Rz. 11
Der Schenkungsbegriff entspricht grundsätzlich dem des § 516 BGB, wobei hierunter jedoch auch ehebezogene Zuwendungen fallen können (siehe Rdn 51 ff.). Nach den für § 516 BGB geltenden Grundsätzen ist somit sowohl eine objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers aus dem Vermögen des Erblassers als auch eine Einigung der Vertragsteile über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung (sog. Schenkungsabrede) erforderlich. Für das Letztere wird man eine "Parallelwertung in der Laiensphäre" als ausreichend ansehen können, denn sonst würde der Anwendungsbereich der Schenkungsvorschriften systemwidrig eingeschränkt. Im Gegensatz zu §§ 2287 ff. BGB ist eine Beeinträchtigungsabsicht hier nicht notwendig. Keine Schenkung ist das Verjährenlassen einer Forderung, oder wenn der pflichtteilsberechtigte Vorerbe nicht nach § 2306 Abs. 1 BGB die Vorerbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteilsanspruch nicht in Anspruch nimmt, oder wenn einer der Fälle des § 517 BGB (Unterlassen eines Vermögenserwerbs) vorliegt. So ist keine Schenkung: die Nichtausübung eines Vorkaufsrechts, das Unterlassen eines Vermögenserwerbs oder die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses. Die bloße Bezeichnung einer Zuwendung als vorweggenommene Erbfolge besagt allerdings noch nichts über die Unentgeltlichkeit. Führt die unentgeltliche Überlassung von Vermögensgegenständen zur Nutzung durch den Empfänger, der ohne die Überlassung entsprechende Aufwendungen hätte tätigen müssen und somit diese spart, kann in den ersparten Aufwendungen auch eine Schenkung liegen.
Rz. 12
Praxishinweis
Da die Schenkung das Vorliegen einer Schenkungsabrede erfordert, sollte zumindest in den Fällen, bei denen die Abgrenzung zwischen gemischter Schenkung und vollentgeltlichem Rechtsgeschäft schwierig ist, in der Urkunde der Ausdruck "Schenkung" vermieden werden.
Rz. 13
Nur wenn die Schenkung wirksam ist, kann sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen. Bei Schenkungen auf den Todesfall kommt es darauf an, ob diese i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen sind. Ist dies zu bejahen, so ist § 2325 BGB anwendbar. Ist die Schenkung noch nicht vollzogen, so ist sie als Verfügung von Todes wegen, und zwar in der Form des Vermächtnisses, anzusehen und kann, selbst wenn sie formwirksam ist, keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen. In diesem Fall kann sie aber auch den ordentlichen Pflichtteil nicht mindern, da sie als Vermächtnis diesem gegenüber nachrangig ist (§ 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Demgegenüber unterfällt ein nicht vollzogenes Schenkungsversprechen unter Lebenden der Vorschrift des § 2325 BGB, da es den Wert des Nachlasses und damit den ordentlichen Pflichtteil mindert.
Rz. 14
Eine verschleierte Schenkung liegt vor, wenn die Vertragsteile – gerade zur Umgehung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen – einem Rechtsgeschäft die Form eines entgeltlichen Vertrages geben, während in Wahrheit eine Schenkung gewollt ist. Hier ist das äußerlich gewählte Geschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig; nach § 117 Abs. 2 BGB gilt Schenkungsrecht.
Rz. 15
Bei der Zweckschenkung liegt dem Schenker zwar daran, dass der Beschenkte eine bestimmte Leistung erbringt oder ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt; es wird jedoch – anders als bei der Schenkung unter Auflage – keine einklagbare Verpflichtung hierüber vereinbart. Wird dieser Zweck, der im Bereich der Geschäftsgrundlage verbleibt, nicht erreicht, so hat der Schenker nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einen Rückforderungsanspruch wegen Zweckverfehlung. Solange dieser Anspruch nicht besteht, liegt eine wirksame, dem § 2325 BGB unterliegende Schenkung vor.
Rz. 16
Eine Ausstattung unterliegt der Pflichtteilsergänzung nur mit demjenigen Teil, der nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter, das entsprechende Maß übersteigt (§ 1624 Abs. 1 Hs. 2 BGB, sog. Übermaßausstattung). Im Übrigen findet sie nur durch die Ausgleichung nach §§ 2316, 2050 ff. BGB im Rahmen des ordentlichen Pflichtteils Berücksichtigung. Sie scheint daher erhebliche Möglichkeiten zur Pflichtteilsreduzierung zu bieten, jedoch dürfen diese nicht überschätzt werden (siehe ausführlich § 10 Rdn 163 ff.).
Rz. 17
Gewagte (aleatorische) oder hoch spekulative Geschäfte sind grundsätzlich entgeltliche Geschäfte und keine Schenkungen, da der Zeitpunkt der Zuwendung darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Schenkung vorliegt. In der Praxis ist ein häufiger Anwendungsfall der Leibrentenkauf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vertragsteile bei übereinstimmender Einschätzung des Risikos Einigkeit über die teilweise Unentgeltlichkeit hatten oder aber die Entgeltlichkeit nur vortäuschten. Zudem ist nach der nicht unbedenklichen Rechtsprechung auch bei scheinbar entgeltlichen Rechtsgeschäften mit einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders zu prüfen, ob nicht eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB vorliegt.