Rz. 58
Da der BGH ausdrücklich betont hat, dass in Ausnahmefällen auch eine ehebezogene Zuwendung entgeltlich und damit ergänzungsfrei sein kann (siehe Rdn 52), hatte man eigentlich erwartet, dass diese Frage in der kautelarjuristischen Literatur, aber auch in der Rechtsprechung ausführlich behandelt werden würde. Jedoch fehlten hierzu lange Zeit erläuternde Urteile fast völlig. Es gibt mittlerweile zwei Entscheidungen zur Fallgruppe "angemessene Altersvorsorge". Das OLG Schleswig hat einen Nießbrauch an zwei Wohnungen, von denen eine fremdvermietet wurde, zugunsten der Ehefrau als zur Altersvorsorge angemessen angesehen, wenn sich damit die Lebensverhältnisse des überlebenden Ehegatten im Vergleich zu den Lebensverhältnissen beider Ehegatten vor dem Erbfall aufrechterhalten lassen. Bei diesem Vergleich sei zu bedenken, dass sich die Kosten für die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards auch im Hinblick auf die Haushaltsführung nicht schlicht halbierten, wenn einer der Eheleute stirbt. Das OLG Stuttgart hat die durch den Erblasser erbrachte Zahlung in Höhe von 58.300 EUR in den Privatrentenversicherungsvertrag seiner damals 64 ½-jährigen Ehefrau im Dezember 2003 bei vorgesehenem Versicherungsbeginn zum 1.1.2004 als zur Altersvorsorge angemessen und damit pflichtteilsfest angesehen, da die Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt, d.h. vor der Einzahlung, nur eine geringe eigene Rente zu erwarten gehabt habe (352,82 EUR) und die 60 % ige Witwenrente bei Vorversterben des Ehegatten (damals 893,52 EUR) für eine angemessene Altersversorgung, insbesondere bei der aufgrund ihrer Vorerkrankungen absehbaren Heimunterbringung, nicht ausreichend gewesen wäre. Die Kautelarjurisprudenz hat dieses Thema kaum behandelt. Teilweise werden die sich hieraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten für gering angesehen. Die vom BGH hierzu gemachten Ausführungen sind wenig konkret. So bejaht er in seinen Entscheidungen die Ergänzungsfestigkeit, wenn es sich um eine entgeltliche Zuwendung handelt, die der Unterhalts- oder Alterssicherung dient, quantifiziert aber nicht klar die Grenze, wann hier Entgeltlichkeit und wann Unentgeltlichkeit anzunehmen ist. Er betont nur, dass sich die Zuwendung zur Bejahung der Entgeltlichkeit im Rahmen einer nach den konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung halten müsse, wozu die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten geprüft werden müssten, und zwar auch in der Richtung, ob und in welchem Umfang für die Zukunft des Erwerbers und insbesondere für sein Alter bereits vorgesorgt ist. Auch die erwähnten zwei OLG-Entscheidungen sind klassische Einzelfallentscheidungen, denen sich nur schwer für die Praxis verallgemeinerungsfähige Richtlinien entnehmen lassen.
Rz. 59
Vor allem Klingelhöffer hat versucht, Abgrenzungskriterien zu erarbeiten. Als Ansatzpunkt für die Bemessung dessen, was als angemessene und damit entgeltliche Zuwendung angesehen werden könnte, diskutiert er – wenn auch mit Vorbehalt – den einem geschiedenen Ehegatten vergleichbaren Unterhaltsanspruch. Dann stellt sich aber zugleich die nächste Frage, ob für die Höhe der Angemessenheit der Zuwendung darauf abgestellt werden kann, dass die Erträge des zugewandten Vermögens den Unterhalt sichern oder ob die Grenze für die entgeltliche Altersvorsorge bereits der Betrag des kapitalisierten Unterhaltsanspruchs ist. Auch der Pflichtteil des Ehegatten wird – wegen seiner unterhaltsbestimmenden Funktion nach § 1586b BGB – als Abgrenzungskriterium erwogen, letztlich aber verworfen. Man wird verallgemeinerungsfähige Aussagen wohl kaum treffen können. Teilweise wird auch vertreten, dass eine angemessene Altersvorsorge, die über den unterhaltsrechtlich geschuldeten Vorsorgeunterhalt hinausgehe, auch ergänzungsfest sein sollte.
Rz. 60
Auch soweit die ehebezogene Zuwendung eine nachträgliche Vergütung für langjährige Dienste darstellt, die der erwerbende Ehegatte vor oder nach der Eheschließung geleistet hat, ist sie nach Ansicht des BGH pflichtteilsergänzungsfest. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sie im Rahmen des "objektiv Angemessenen als entgeltlich anzusehen sei". Er relativiert aber die sich hieraus für die Gestaltung u.U. ergebenden Möglichkeiten dadurch, dass er die Haushaltstätigkeit eines Ehegatten hiervon ausnimmt, so dass im Wesentlichen für die Ausnahmegruppe der entgeltlichen ehebezogenen Zuwendung die Fälle der Ehegattenmitarbeit im Unternehmen des anderen übrigbleiben.