Rz. 168
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien beginnt die zehnjährige Frist bei beweglichen Gegenständen mit Vollendung des Eigentumsübergangs, bei Grundstücken erst mit der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB), nicht aber bereits mit Erwerb eines Anwartschaftsrechts. Behmer hat dem entgegengehalten, dass § 8 Abs. 2 AnfG (es geht um die Anfechtung von gläubigerbenachteiligenden Rechtsgeschäften) neu gefasst wurde und danach für den Beginn der Anfechtungsfristen, abweichend von den sonst hier geltenden Anforderungen, bereits der Eingang des Eintragungsantrags bzw. der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung beim Grundbuchamt ausreicht. In der Tat muss man die Frage beantworten, warum ein Pflichtteilsberechtigter stärker zu schützen ist als der durch das AnfG geschützte Gläubiger, welcher bereits einen vollstreckbaren Titel erstritten hat. Allein der Verweis auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsberechtigten genügt wohl nicht, da der Schutz ja grundsätzlich gewährt wird und auch der Gesetzgeber diesen nicht unendlich weit ausdehnen wollte, wie die Zehn-Jahres-Frist zeigt. Deshalb sollte nicht beim Fristbeginn ein strengerer Maßstab als sonst im Pflichtteilsrecht angewandt werden. Es sprechen gut Gründe dafür, dass bei Grundstücken die Zehn-Jahres-Frist gem. § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen beginnt, wenn die Auflassung erklärt, die Eigentumsumschreibung beantragt und eine Vormerkung eingetragen ist.
Rz. 169
Bei Vermögensübertragungen, die hinsichtlich des dinglichen Vollzugsgeschäfts durch den Tod des Erblassers aufschiebend befristet sind, beginnt die Zehn-Jahres-Frist erst mit dem Todesfall; die Frage, wann eine solche Schenkung i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen ist, hat mit dem Fristbeginn nichts zu tun.
Rz. 170
Praxishinweis
Sind Pflichtteilsergänzungsansprüche zu befürchten, so sollten Schenkungen auf den Todesfall vermieden werden.
Rz. 171
Bei Schenkung eines Guthabens auf einem "Oderkonto", über das der Erblasser noch bis zu seinem Tode mitverfügen kann, beginnt die Frist ebenfalls erst mit dem Tode des Erblassers, da erst mit diesem Zeitpunkt ein endgültiges Vermögensopfer zugunsten des Dritten vorliegt; auf den Zeitpunkt der Kontoerrichtung oder die Einräumung der Verfügungsbefugnis für den Dritten kommt es nicht an.
Rz. 172
Soweit bei Personengesellschaften infolge eines Ausschlusses oder einer Beschränkung eines Abfindungsanspruchs bei Tod eines Gesellschafters eine ergänzungspflichtige Zuwendung gegeben ist, insbesondere bei Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern ohne die Erben des Verstorbenen, oder wenn bei einem Eintrittsrecht dem hierzu Berechtigten der Kapitalanteil des Verstorbenen rechtsgeschäftlich zugewandt wird, beginnt die Frist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB erst mit dem Tod des Erblassers. Hier kann nicht auf den Zeitpunkt der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung abgestellt werden.