(1) Vereinbarung von Gütergemeinschaft
Rz. 61
Nach Auffassung des BGH kann nur in Ausnahmefällen in der ehevertraglichen Vereinbarung der Gütergemeinschaft eine ergänzungspflichtige Schenkung des begüterten an den weniger vermögenden Ehegatten gesehen werden. Für eine Schenkung soll es an der schuldrechtlichen Einigung der Eheleute über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung fehlen. Vielmehr liege der Rechtsgrund für die Bereicherung in dem familienrechtlichen Vertrag über die Errichtung der Gütergemeinschaft, mit dessen Hilfe die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse neu ordnen. Für die Annahme, dass die "güterrechtliche causa" der Bereicherung des Ehegatten durch einen schuldrechtlichen Schenkungsvertrag verdrängt werde, sei es erforderlich, festzustellen, ob die Geschäftsabsichten der Ehegatten nicht lediglich auf eine Ordnung des beiderseitigen Vermögens im Rahmen der Verwirklichung der Ehe gerichtet waren, sondern auf "ehefremde Zwecke". Der BGH sieht in der Vereinbarung der Gütergemeinschaft offenbar keinen besonderen Fall der ehebezogenen Zuwendung, obgleich durch deren Vereinbarung der weniger vermögende Ehegatte sogar dinglich Mitberechtigter am ehelichen Gesamtgut wird (§ 1416 BGB) und dies zu einem erheblichen Vermögenszuwachs und damit einer objektiven Bereicherung bei ihm führen kann. Trotz des gegenüber der Zugewinngemeinschaft geringeren Ehegattenerbteils (nur nach § 1931 Abs. 1 BGB, da § 1931 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet) führt der Wechsel von der Zugewinngemeinschaft zur Gütergemeinschaft bei den Abkömmlingen zu einer Pflichtteilskürzung, wenn das Vermögen des Ehegatten, bei dem eine Pflichtteilsreduzierung gewollt ist, mehr als dreimal so hoch ist als das des anderen.
Rz. 62
Während der BGH also bei der ehebezogenen Zuwendung allein wegen der objektiven Unentgeltlichkeit die Anwendung der erbrechtlichen Schutzvorschriften gegen Schenkungen unabhängig vom Vorliegen der Schenkungsabrede bejaht, verneint er sie bei der Begründung der Gütergemeinschaft deshalb, weil es hier zumindest an dem subjektiven Tatbestandsmerkmal fehle, das gerade für die "Verdrängung der güterrechtlichen causa" erforderlich sei. Für die unterschiedliche Behandlung gibt Klingelhöffer die nicht überzeugende Begründung, dass sonst jede Gütergemeinschaft eine ergänzungspflichtige Schenkung wäre. Schlüssiger ist demgegenüber die vom BGH selbst hierfür gegebene Begründung, wonach es den Ehegatten grundsätzlich jederzeit freistehe, ihre güterrechtlichen Verhältnisse für die Zukunft zu ändern, und diese grundlegende Befugnis alle Gläubiger, und somit auch die Pflichtteilsberechtigten, gegen sich gelten lassen müssen. Das Gericht betont dabei aber besonders, dass es sich um eine ausschließlich durch die Verwirklichung der Ehe motivierte und völlig unbedenkliche Neuordnung des Güterstands handeln müsse. Besondere Bedeutung erlangt somit die Frage, wann nicht nur güterrechtliche, sondern solch "ehefremde Zwecke" verfolgt werden, dass ausnahmsweise ein ergänzungspflichtiger Tatbestand vorliegt. Der BGH hält im Kontext mit der Gütergemeinschaft einen solchen ergänzungspflichtigen Tatbestand in folgenden Fällen für möglich, wobei es jedoch im Prozess entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Tatrichters bedarf:
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Wenn nach einem einheitlichen Plan zunächst Gütergemeinschaft und nach einiger Zeit, mag dies auch länger dauern, ein anderer Güterstand vereinbart wird, um die Rechte von Pflichtteilsberechtigten zu verkürzen; |
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wenn es sich um die nachträgliche Verschiebung wertvoller Gegenstände aus dem Vorbehaltsgut eines Ehegatten in das des anderen oder in das Gesamtgut oder um eine solche aus dem Gesamtgut zum Vorbehaltsgut handelt; |
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wenn eine Gütergemeinschaft kurz vor dem Tode eines Ehegatten vereinbart wird; |
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wenn bei der Auseinandersetzung des Gesamtguts dem zunächst weniger begüterten Teil eine höhere Quote eingeräumt wird, als ihm nach dem Halbteilungsgrundsatz des § 1476 BGB zukommt; oder |
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wenn ein Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen. |
Rz. 63
Gerade wegen des letztgenannten Ausnahmefalls dürfen die sich für die Kautelarpraxis ergebenden "sicheren Gestaltungsmöglichkeiten" nicht überschätzt werden (siehe § 10 Rdn 124 ff.). Hinzuweisen ist vor allem auf die Schenkungsteuerpflicht der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft, § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.