Rz. 127
Im Rahmen der Bewertung sind Nutzungsrechte und wiederkehrende Leistungen, die für den Schenker eingeräumt werden, mit ihren kapitalisierten Jahreswerten anzusetzen. In der Regel ist das der nachhaltig erzielte oder erzielbare Ertrag nach Berücksichtigung der Bewirtschaftungs- und Erhaltungsaufwendungen, die für den Schenkungsgegenstand anfallen. Wie diese Kapitalisierung zu berechnen ist, ist umstritten. Dies gilt zunächst schon für den Kapitalisierungsfaktor.
Rz. 128
(1) Die h.M. und insbesondere die Rechtsprechung des BGH stellt grundsätzlich auf die im Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung anzunehmende allgemeine Lebenserwartung des Schenkers ab, nimmt also eine "exante Betrachtung" vor (teilweise als "abstrakte Berechnung" bezeichnet). Hiervon wird nur abgewichen, wenn die Besonderheiten des Sachverhalts eine kürzere Lebenserwartung wahrscheinlich erscheinen lassen.
Rz. 129
(2) Die Gegenansicht ermittelt wegen der Schutzbedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten bei einem früheren Tod des Erblassers den Wert dieser Rechte nach der tatsächlichen Dauer aus einer "ex-post-Betrachtung". Sie vermeidet Härten nach beiden Seiten, wenn die bei der Schenkung anzunehmende Lebenserwartung des Erblassers erheblich von seiner tatsächlichen Lebenszeit abweicht. Allerdings spielt für diese Gegenansicht der Grundsatz der subjektiven Äquivalenz keine entscheidende Rolle: Inwieweit die Zuwendung eine ganze oder gemischte Schenkung darstellt, bestimmt sich nach der h.M. nach der Einigung der Vertragsteile bei Vertragsabschluss. Ein damals nicht vorhersehbarer plötzlicher Tod des Erblassers kann demnach die Höhe der angenommenen Entgeltlichkeit ebenso wenig mehr beeinflussen wie wenn der Schenker wesentlich länger lebt, als nach den damaligen Verhältnissen anzunehmen war. Nicht vertretbar erscheint aber OLG Oldenburg, wonach bei einem Tod 14 Monate nach der Schenkung ein vorbehaltenes Wohnungsrecht überhaupt nicht berücksichtigt wird.
Rz. 130
Hat man den Kapitalisierungsfaktor bestimmt, so liegt es aus pragmatischer Sicht nahe, den ermittelten Jahreswert (z.B. jährlicher Nettomietertrag) mit der statistischen Lebenserwartung aus einer Sterbetafel zu multiplizieren. Fraglich ist jedoch, ob eine Abzinsung vorzunehmen ist: Die erst ab dem Zeitpunkt der Schenkung zu erbringenden künftigen und damit eben teilweise noch gestundeten Leistungen haben einen – bezogen auf den Vertragsabschluss – geringeren Gegenwartswert als die bloße Summe ihrer Leistungen. Unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Gepflogenheiten sollten die Leistungen entsprechend abgezinst werden, um nicht viel zu hohe Kapitalisierungswerte zu ermitteln.
Rz. 131
Der Berechnung ist also grundsätzlich die statistische Lebenserwartung des Nutzungsberechtigten zum Zeitpunkt der Zuwendung zugrunde zu legen. Die Berechnung kann entweder auf Grundlage der einschlägigen Leibrententabellen oder, so die überwiegende Methode in der Praxis, nach § 14 Abs. 1 Bewertungsgesetz erfolgen, wobei der Vervielfältiger eine Abzinsung mit 5,5 % jährlich für die lebenslangen Nutzungen enthält. Die überwiegende Meinung, vor allem die Rechtsprechung, spricht sich für die Anwendung von § 14 Abs. 1 BewG aus. Die Berechnung nach dem früheren § 24 Abs. 2 KostO, heute § 52 GNotKG, wird dagegen von den Gerichten verworfen, weil ihr besondere kostenrechtliche Überlegungen zugrunde liegen.