Rz. 91
Die Errichtung einer Stiftung durch Verfügung von Todes wegen und die damit erfolgende Vermögensdotierung unterliegt unstrittig dem ordentlichen Pflichtteil. Bei der Errichtung einer Stiftung unter Lebenden (§ 81 BGB) erfolgt die Vermögenszuwendung aufgrund des Ausstattungsversprechens, die jedoch nur eine einseitige Willenserklärung ist, so dass es an sich an der für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erforderlichen Schenkung i.S.v. § 516 BGB fehlt. Jedoch ist eine analoge Anwendung des § 2325 BGB auf die Errichtung einer Stiftung geboten, um entgegen dem Schutzzweck der Norm eine Aushöhlung des Pflichtteilsrechts zu verhindern. Nur im Einzelfall kommt eine Anwendung von § 2330 BGB in Betracht.
Rz. 92
Der BGH hat ferner endgültige unentgeltliche Zuwendungen an eine bereits existierende Stiftung als pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen qualifiziert. In seiner Begründung erwähnte der BGH als pflichtteilsergänzungspflichtige Zuwendungen ausdrücklich stiftungskapitalerhöhende Zustiftungen und freie oder gebundende Spenden, die zum zeitnahen Einsatz für die Stiftungszwecke gedacht sind. Er hat der Auffassung der Vorinstanz des OLG Dresden eine klare Absage erteilt. Das OLG Dresden sah in Zuwendungen an eine Stiftung zur Förderung des Stiftungszwecks keine ergänzungspflichtige Schenkung, weil es an einer objektiven und gefestigten Bereicherung fehlen sollte. Das treuhänderisch von der Stiftung gehaltene Vermögen sollte wegen der Notwendigkeit der satzungsmäßigen Verwendung nur als Durchgangseigentum anzusehen sein. Der BGH stellte dagegen klar, dass überhaupt kein Treuhandverhältnis vorlag, da bei Spenden die typischen Merkmale eines Treuhandverhältnisses – wirtschaftliches Eigentum des Treugebers am Treuhandvermögen, das jedenfalls aus wichtigem Grund stets gegebene Kündigungsrecht des Treugebers, die Möglichkeit des Vermögensrückfalls bei Insolvenz des Treugebers – gerade nicht zuträfen. Spenden würden von der Stiftung für sich selbst verwendet, weshalb die Stiftung die Spenden nicht bloß als Mittels- oder Durchgangsperson erhalte. Der BGH hat also in seinem Urteil klargestellt, dass eine Stiftung auch im Pflichtteilsrecht als eigenständige juristische Person zu qualifizieren ist und Zuwendungen nicht nur an einen Bevollmächtigten oder Boten erfolgen, sondern an einen selbstständigen, rechtsfähigen Verband. Es spiele keine Rolle, ob die Zwecke der Stiftung als gemeinnützig im Steuerrecht anerkannt werden können. Diese "Wohltätigkeit" für die Allgemeinheit ändere nichts an den Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten.