Rz. 1
Durch § 2325 BGB soll der Pflichtteilsberechtigte dagegen geschützt werden, dass der ordentliche Pflichtteil durch lebzeitige Zuwendungen ausgehöhlt, ja sogar umgangen wird. Damit sollen – um ein Schlagwort aufzunehmen – "Schleichwege am Erbrecht vorbei" verhindert werden. Deshalb gewährt das Gesetz bei Schenkungen dem Pflichtteilsberechtigten einen zeitlich und sachlich begrenzten Ergänzungsanspruch gegen den Erben, hilfsweise gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB). Dazu wird das Geschenk zunächst dem Nachlass hinzugerechnet und dann aus dem so ergänzten Nachlass der Pflichtteilsanspruch berechnet, was gleichsam zu einer "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" vor der Schenkung führt.
Rz. 2
Der sog. Gesamtpflichtteil (Pflichtteilsanspruch im weiteren Sinn) besteht daher aus
Rz. 3
Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch enthalten die §§ 2325 bis 2329 BGB Sondervorschriften. Besondere Probleme bereitet seine "Verzahnung" mit dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch, etwa wenn anrechnungs- und ausgleichungspflichtige Zuwendungen mit ergänzungspflichtigen zusammentreffen; § 2327 BGB enthält hier nur unvollständige Regelungen (siehe Rdn 216 ff.). Innerhalb des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist zwischen dem Anspruch zu unterscheiden, der sich – wie im Regelfall – gegen den Erben richtet (§ 2325 BGB), und dem Anspruch, der gegen den Beschenkten geltend gemacht wird (§ 2329 BGB); auch hier gelten z.T. besondere Bestimmungen, etwa die besondere Verjährung nach § 2332 Abs. 2 BGB für den Anspruch nach § 2329 BGB.
Rz. 4
Neben dem Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht nur ein sehr beschränkter Schutz des Pflichtteilsberechtigten gegen lebzeitige Zuwendungen nach Maßgabe der §§ 138, 826 BGB; für mehr sah man keinen Anlass. Unterliegt die Schenkung zugleich einem Anspruch nach §§ 2287 f. BGB, weil es sich um eine den Vertragserben beeinträchtigende Schenkung des erbrechtlich gebundenen Erblassers handelt, so schließt dies die Anwendung des § 2325 BGB grundsätzlich nicht aus. Wenn jedoch die Ausschlussfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB verstrichen ist, so unterliegt das, was der Vertragserbe infolge der Ansprüche nach §§ 2287, 2288 BGB zurückerlangt, nicht dem Pflichtteilsergänzungsanspruch, denn die §§ 2287 f. BGB sind keine Vorschriften zum Schutze des Pflichtteilsberechtigten; zudem gehören diese Ansprüche nicht zum Nachlass. Ist der Pflichtteilsberechtigte selbst beschenkt und einem Anspruch nach §§ 2287 f. BGB ausgesetzt, so fehlt es an der für diese Vorschriften erforderlichen objektiven Beeinträchtigung, weil auch der Vertragserbe den Pflichtteilsanspruch hätte erfüllen müssen. Er ist also insoweit nicht beeinträchtigt, als die Schenkung des Erblassers geeignet war, den Pflichtteil des Erwerbers zu decken. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen §§ 2287 f. BGB und dem Anspruch nach § 2329 BGB siehe Rdn 284 ff. Zur Frage, inwieweit Zuwendungen, die bereits im Rahmen der Ausgleichung (§ 2316 BGB) betroffen waren, noch im Rahmen der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen sind, siehe Rdn 147 ff.