Rz. 240

§ 2306 BGB schützt den pflichtteilsberechtigten Erben gegen übermäßige Beschwerungen, so dass ihm wenigstens sein ordentlicher Pflichtteil verbleibt. Dem gleichen Ziel dient § 2319 BGB bei der Erbauseinandersetzung. Da sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch in erster Linie gegen den Erben richtet (§ 2325 BGB), muss das Gesetz auch dem pflichtteilsberechtigten Erben einen Schutz gewähren. Daher räumt § 2328 BGB dem selbst pflichtteilsberechtigten Erben ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber Ergänzungsansprüchen anderer Pflichtteilsberechtigter ein: Es geht soweit, dass ihm der eigene Pflichtteil, einschließlich einer ihm selbst gebührenden Pflichtteilsergänzung, verbleibt.[627] Das gilt allerdings nicht gegenüber fiktiven Pflichtteilsergänzungsansprüchen des Unterhaltsberechtigten gem. § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB, d.h. in diesem Fall sollen sich pflichtteilsberechtigte Erben nicht auf § 2328 BGB berufen dürfen. Denn § 2328 BGB sei nur auf das Konkurrenzverhältnis der Pflichtteilsberechtigten beschränkt und erfasse nicht die Ansprüche von Nachlassgläubigern.[628]

 

Rz. 241

Das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 2328 BGB bewirkt sogar eine Bevorzugung des pflichtteilsberechtigten Erben gegenüber den anderen Pflichtteilsberechtigten und wird daher kritisiert.[629] Denn er erhält den Pflichtteil einschließlich seiner Ergänzung vorneweg aus dem Nachlass und muss seinen Ergänzungsanspruch nicht gegen den Beschenkten durchsetzen. Das soll auch im Nachlassinsolvenzverfahren gelten.[630] Vielmehr werden die anderen Ergänzungsberechtigten auf die Inanspruchnahme des Beschenkten mit dem Risiko des Entreicherungseinwands verwiesen (§ 2329 BGB), sofern der Restnachlass zu deren Befriedigung nicht genügt.[631]

 

Beispiel

Witwer W hinterlässt im Nachlass 40.000 EUR und hat seinen Sohn S zum Alleinerben berufen, die einzige andere pflichtteilsberechtigte Tochter T wurde enterbt. Schenkung an D i.H.v. 80.000 EUR.[632]

Ordentlicher Pflichtteil = je 10.000 EUR; Ergänzungspflichtteil = je 20.000 EUR, Gesamtpflichtteil = je 30.000 EUR. Sohn S muss zwar an T den ordentlichen Pflichtteilsanspruch von 10.000 EUR zahlen. Den Ergänzungsanspruch kann er aber nach § 2328 BGB abwehren, weil ihm 30.000 EUR verbleiben müssen, und zwar auch dann, wenn T beim Beschenkten nach § 2329 BGB wegen des Einwands der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nichts erhält.

[627] BGHZ 85, 274, 284 ff. = NJW 1983, 1485; OLG Koblenz FamRZ 2006, 1789, 1791 f. (dieser Abschnitt des Urteils ist nicht abgedr. in ZErb 2006, 419).
[628] BGH NJW 2007, 3207, 3208 f. m.w.N.; siehe auch Anm. Hartmann ErbStB 2008, 5 f.; siehe auch Schindler, FamRZ 2004, 1527, 1533.
[629] So noch Bamberger/Roth/J. Mayer, 3. Aufl. 2012, § 2328 Rn 1; vgl. etwa Staudinger/Olshausen, § 2328 Rn 3.
[630] Schindler, Pflichtteilsberechtigter Erbe, Rn 624.
[631] Gottwald, Pflichtteilsrecht, § 2328 Rn 2; Staudinger/Olshausen, § 2328 Rn 3; MüKo-BGB/Lange, § 2328 Rn 3; Soergel/Dieckmann, § 2328 Rn 3 f.; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2328 Rn 1.
[632] Aus Soergel/Dieckmann, § 2328 Rn 4.

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