1. Allgemeines zum Verkehrswert, zur Bewertung und zum Bewertungszeitpunkt
a) Verkehrswert und die Bewertung nach dem Ertragswert bei Landgütern
Rz. 94
Für die Bewertung des verschenkten Gegenstandes gelten zunächst die allgemeinen Grundsätze wie beim ordentlichen Pflichtteilsanspruch. Demnach ist grundsätzlich der Verkehrswert anzusetzen (§ 2311 BGB; siehe auch § 5 Rdn 60, 90 ff.).
Rz. 95
Bei der Übergabe eines Landguts (landwirtschaftlichen Anwesens) ist aber auch hier § 2312 BGB anwendbar, was zur Bewertung nach dem regelmäßig viel niedrigeren Ertragswert führt. Die erforderlichen Voraussetzungen des § 2312 BGB müssen jedoch im Erbfall vorliegen; auf die Eigenschaft im Zeitpunkt der Schenkung solle es nicht ankommen. Die Bewertung zum Ertragswert ist also nicht möglich, wenn zwar im Zeitpunkt der Übergabe der landwirtschaftliche Betrieb noch selbst bewirtschaftet, dann aber vor dem Erbfall aufgegeben wurde. Desgleichen kommt das Ertragswertprivileg nicht zur Anwendung, wenn nur die Zuwendung eines Miteigentumsanteils an einem Landgut oder die Übergabe an mehrere Erwerber als Bruchteilseigentümer erfolgte (siehe näher § 5 Rdn 232 ff.).
Rz. 96
Während sonst für die Bewertung im Rahmen des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs der Erbfall (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB) maßgebend ist, bei der Anrechnung und Ausgleichung der Zeitpunkt der Zuwendung (§§ 2315 Abs. 2, 2316, 2055 Abs. 2 BGB), ist hinsichtlich des Bewertungsstichtags beim Pflichtteilsergänzungsanspruch nach dem Schenkungsobjekt zu differenzieren.
b) Bewertungszeitpunkt bei verbrauchbaren Sachen
Rz. 97
Verbrauchbare Sachen (§ 92 BGB) sind stets mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung anzusetzen (§ 2325 Abs. 2 S. 1 BGB). Dabei ist bei diesen – anders als bei nicht verbrauchbaren Sachen – unerheblich, ob diese in der Zwischenzeit bis zum Eintritt des Erbfalls verbraucht, vernichtet oder entwertet wurden. Dem liegt wohl der Gedanke zugrunde, dass diese ohnehin dem zeitbedingten Wertverlust unterworfen sind. Ihre Einbeziehung in den Ergänzungsanspruch erscheint zwar dann nicht sachgemäß, wenn der Untergang oder die Wertminderung auch beim Erblasser eingetreten wäre, jedoch würde dies schwierige Vergleichsüberlegungen erfordern, welche die Praktikabilität erheblich einschränken würden (zur Kritik an § 2325 Abs. 2 BGB siehe auch Rdn 104). Beispiele für verbrauchbare Sachen sind Tiere, Lebensmittel, Heizmaterialien, Geld (da der bestimmungsgemäße Gebrauch in der Veräußerung liegt) und Wertpapiere, soweit sie Geldsurrogate sind, nicht aber Bücher und Kunstgegenstände wie Bilder sowie Möbel, Teppiche und Kraftfahrzeuge, da die allmähliche Abnutzung als Gebrauchsfolge eine Sache noch nicht zur verbrauchbaren macht.
Rz. 98
Der schenkungsweise Erlass einer Geldschuld (§ 397 BGB) ist wie die Schenkung einer verbrauchbaren Sache zu behandeln, weil dies wirtschaftlich der körperlichen Hingabe von Geld gleichsteht und ab dem Erlass nichts mehr vorhanden ist, woran die Wertermittlung anknüpfen könnte. War die erlassene Schuld oder eine schenkungsweise abgetretene Forderung im Erlasszeitpunkt noch nicht fällig, muss man für die Bewertung entsprechend der im Wirtschaftsleben und auch im steuerlichen Bewertungsrecht geltenden Kriterien eine Abzinsung vornehmen, denn sie sind noch nicht so viel wert wie eine fällige Forderung. Ist die Durchsetzbarkeit der Forderung zweifelhaft, so ist auch dies zu berücksichtigen (siehe auch § 5 Rdn 207 ff. zum ordentlichen Pflichtteil). Beim schenkungsweisen Erlass einer Rentenforderung ist der auf den Erlasszeitpunkt kapitalisierte Wert (siehe Rdn 127 ff.) maßgeblich, was ebenfalls der Behandlung im allgemeinen Wirtschaftsleben entspricht und insoweit bedeutsam ist, als die tatsächliche Lebensdauer hiervon u.U. ganz erheblich abweichen kann.
Rz. 99
Bei einem Verzicht auf ein dingliches Nutzungsrecht (Nießbrauch, Wohnungsrecht) ist fraglich, wie dessen Wert zu bestimmen ist. Der BGH hat bei einem Wertersatzanspruch nach § 528 BGB hierfür nur die durch Wegfall des dinglichen Rechts eintretende Werterhöhung des belasteten Grundstücks angenommen. Dies ist bei § 528 BGB zutreffend, da die Herausgabe der Schenkung nur nach Bereicherungsrecht geschuldet ist. Demgegenüber geht es bei § 2325 BGB darum, dass zum Schutz gegen die Aushöhlung des Pflichtteils all das in die Ergänzungspflicht einbezogen wird, was der Erblasser innerhalb der Zeitgrenze des § 2325 Abs. 3 BGB weggegeben hat. Verzichtet er auf solche Nutzungsrechte, so ist aus der Sicht des Berechtigten zu bestimmen, was diese wert waren, denn insoweit hat er bei der aufgegebenen Möglichkeit der Eigennutzung höhere Aufwendungen aus seinem Restnachlass, um eine angemessene Nutzung zu finden. Bei fremdgenutzten Immobilien verliert er die aus d...