Rz. 195
Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen muss der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich selbst darlegen und beweisen, dass der betreffende Gegenstand zum fiktiven Nachlass gehört und dass es sich um eine (zumindest gemischte) Schenkung handelt, also dass der Leistung des Erblassers keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Hierzu steht ihm ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zu (§ 2314 BGB; siehe näher § 9). Da aber die Schenkung ein subjektives Tatbestandselement der Schenkungsabrede enthält, ist es für den Pflichtteilsberechtigten oftmals schwer, diese innere Tatsache zu beweisen, zumal er als Dritter von den insoweit wesentlichen Tatsachen keine Kenntnis hat. Die Rechtsprechung hilft jedoch in zweifacher Weise: Zum einen billigt sie dem Pflichtteilsberechtigten eine Beweiserleichterung (keine Beweislastumkehr) zu: Bei einem "auffallend groben Missverhältnis" der beiderseitigen Leistungen wird vermutet, dass die Parteien dies erkannt haben und sich über die teilweise Unentgeltlichkeit einig waren. Diese greift allerdings nicht ein, wenn der vorbehaltene Nießbrauch 80 % des Zuwendungswertes ausmacht und der neue Eigentümer die laufenden Bewirtschaftungs- und Reparaturkosten zu tragen hat oder der Wert des Nießbrauchs und der zusätzlich gezahlte Kaufpreis 81 % des Zuwendungswertes erreicht. Zudem gibt der BGH zu bedenken, dass unter Verwandten zu berücksichtigen ist, dass sie den ohnehin nur abzuschätzenden Wert ihrer Leistungen kaum je exakt kalkulieren können. Deshalb ist für die einzelnen Leistungen von den Werten auszugehen, die bei verständiger, die konkreten Umstände berücksichtigenden Würdigung noch als vertretbar gelten können.
Rz. 196
Des Weiteren wird solchen Beweisschwierigkeiten dadurch Rechnung getragen, dass es Sache des über die erforderlichen Kenntnisse verfügenden Anspruchsgegners ist, dann die für die Begründung der Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen und Vorstellungen der Vertragsteile im Wege des substantiierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vorzutragen. Der Erbe hat zudem nach Auffassung einiger Gerichte in zumutbarem Umfang Nachforschungen darüber anzustellen, ob pflichtteilsergänzungsbedürftige Schenkungen des Erblassers in den letzten 10 Jahren erfolgt sind. Zu den vom Erben anzustellenden Ermittlungen soll insbesondere auch die Einsichtnahme in die vollständigen Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen des Erblassers für einen 10-Jahres-Zeitraum gehören. Liegen diese nicht vollständig vor, könnte aber der Verdacht bestehen, dass in dem maßgeblichen Zeitraum von einem Bankkonto des Erblassers schenkweise Zuwendungen an Dritte erbracht wurden. Das OLG Stuttgart vertritt die Auffassung, dass der Erbe dann verpflichtet sei, von seinem Auskunftsrecht gegenüber der Bank Gebrauch zu machen. Die Auskunftspflicht des Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten soll sich auch auf Vermögensgegenstände erstrecken können, die der Erblasser in eine Anstalt oder Stiftung liechtensteinischen Rechts eingebracht hat. Hinsichtlich des Niederstwertprinzips (§ 2325 Abs. 2 S. 2 BGB) gilt: Bei nicht verbrauchbaren Sachen hat der Pflichtteilsberechtigte die Werthöhe im Zeitpunkt des Erbfalls zu beweisen. Beruft sich dagegen der Erbe darauf, dass im Zeitpunkt der Schenkung die Sache einen geringeren Wert gehabt hätte, so hat er sowohl den Zeitpunkt der Schenkung als auch den Wert in diesem Zeitpunkt zu beweisen.
Rz. 197
Die Beweislastverteilung hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB ist umstritten; jedoch soll der Erbe diese für den Fristbeginn tragen, da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt. Seit dem 1.1.2010 gilt auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch die Regelverjährung von drei Jahren, § 195 BGB. Für die Verjährung selbstständig angeknüpft werden grundsätzlich Auskunftsansprüche nach § 2314 BGB. Siehe eingehend zur Verjährung § 13 Rdn 295 ff.