Rz. 41
Zitat
ZPO § 256 Abs. 1; StVG § 7 Abs. 1
Wird die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens aus einer bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung beantragt, so reicht für das Feststellungsinteresse die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen.
a) Der Fall
Rz. 42
Die Kläger machten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, bei welchem die Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und zu 3) als Fahrerin eines Pkw getötet wurde, nachdem sie nach links in eine bevorrechtigte Straße eingebogen und dort mit dem Kraftfahrzeug des Beklagten zu 1) zusammengestoßen war, dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2) war. Der Kläger zu 2) war Beifahrer im Wagen seiner Mutter; er wurde bei dem Unfall selbst verletzt und erlebte den Tod seiner Mutter mit. Der 14-jährige Kläger zu 3) war beim Unfallgeschehen nicht anwesend.
Rz. 43
Die Kläger haben ein unfallursächliches, schuldhaft verkehrswidriges Verhalten des Beklagten zu 1) behauptet und die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz bezifferten materiellen Schadens, zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Kläger aus eigenem und aus ererbtem Recht, des Weiteren zur Entrichtung von Schadensersatzrenten wegen entgangenen Unterhalts begehrt sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten beantragt, ihnen allen künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Hinsichtlich des Feststellungsantrags haben die Kläger zu 2) und zu 3) auf psychische Störungen, insbesondere Depressionen, abgestellt, die sie durch den Unfalltod ihrer Mutter erlitten hätten.
Rz. 44
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das OLG durch Teil- und Grundurteil – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – die Klageanträge hinsichtlich des bezifferten materiellen Schadensersatzbegehrens sowie der Unterhaltsrenten dem Grunde nach zu 1/5 für gerechtfertigt erklärt. Der Senat hat die Revision der Kläger, mit der sie ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt haben, nur insoweit angenommen, als die Anträge auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für materielle Schäden der Kläger zu 2) und zu 3) mit einer Haftungsquote von 1/5 abgewiesen worden waren.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 45
Das Berufungsgericht hielt die – allein noch im Streit befindlichen – Feststellungsanträge der Kläger zu 2) und zu 3) für unzulässig. Die Kläger hätten sich für ihr Feststellungsbegehren ausschließlich auf andauernde unfallbedingte Störungen der Psyche (Depressionen) berufen. Soweit sich diese Anträge auf die Ersatzpflicht für hieraus resultierende finanzielle Belastungen (Arztbehandlungen, Medikamente) bezögen, mangele es der Klage an dem erforderlichen Feststellungsbedürfnis. Die Kläger hätten weder hinreichend dargetan, dass bei ihnen psychische Störungen mit Krankheitswert aufgetreten seien, noch sei ersichtlich, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Auftreten solcher Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass in den zurückliegenden Jahren für keinen der Kläger entsprechende Kosten angefallen seien. Sollte es dem entgegen künftig zu unfallbedingten psychischen Erkrankungen der Kläger kommen, stünde der Geltendmachung diesbezüglicher Ansprüche eine Rechtskraft des Urteils nicht entgegen.
Rz. 46
Die Beurteilung des Berufungsgerichts zu den Feststellungsanträgen der Kläger zu 2) und zu 3) hielt den Angriffen der Revision nicht stand. Die Überlegungen im Berufungsurteil, die teilweise auf nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen beruhten, trugen die Verneinung des Feststellungsinteresses und die Abweisung dieser Anträge als unzulässig nicht.
Rz. 47
Das Berufungsgericht ging beanstandungsfrei davon aus, dass die Anträge der Kläger zu 2) und zu 3) auf die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten ausschließlich für Schäden aus psychischen Störungen mit Krankheitswert, insbesondere Depressionen, gerichtet waren. Es ging insoweit um von diesen beiden Klägern befürchtete künftige materielle Beeinträchtigungen, die aus einer unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung im Hinblick auf das traumatische Erlebnis des Todes ihrer Mutter resultieren könnten.
Rz. 48
Das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich eines solchen – vorliegend allein noch auf § 7 Abs. 1 StVG gegründeten – Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden konnte, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung nach § 14 StVG i.V.m. § 852 BGB entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach Behauptung der Kläger bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das Feststellungsi...