Rz. 116
Zitat
ZPO §§ 66, 67, 68, 69; VVG § 100
1. Beteiligt sich ein Privathaftpflichtversicherer als Streithelfer an dem gegen seinen Versicherungsnehmer geführten Haftpflichtprozess, ist es ihm als einfachem Nebenintervenienten verwehrt, gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Rechtsmittel zu führen.
2. Dem Privathaftpflichtversicherer bleibt es trotz des haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzips und der dieses ergänzenden Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsrechtsstreit unbenommen, im Deckungsprozess den Einwand des arglistigen Zusammenwirkens von Versicherungsnehmer und (vermeintlich) Geschädigtem zu erheben.
a) Der Fall
Rz. 117
Die Klägerin begehrte von der Beklagten Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Unfallereignis vom 20.8.2014, bei dem sie sich durch kochendes Wasser aus einem umgestürzten Wasserkocher erhebliche Verbrennungen an den Beinen zuzog. Der Privathaftpflichtversicherer der Beklagten war dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Zwischen Klägerin und Beklagter einerseits und der Nebenintervenientin andererseits stand im Streit, ob die Verletzung von der Beklagten verursacht wurde. Die Nebenintervenientin behauptete, die Klägerin habe den Wasserkocher selbst umgestoßen und sich die Verletzungen damit versehentlich selbst zugefügt.
Rz. 118
In einem vorweggenommenen Deckungsprozess zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Nebenintervenientin verpflichtet ist, der Beklagten für sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Unfall vom 20.8.2014 bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zu leisten.
Rz. 119
Das LG hat der Klage mit Ausnahme einer geringfügigen Schadensposition stattgegeben. Die – alleinige – Berufung der Nebenintervenientin hat das OLG verworfen. Hiergegen wandte sich die Nebenintervenientin mit der Rechtsbeschwerde.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 120
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Da die Nebenintervenientin nur einfache Streithelferin der Beklagten sei, sei die von ihr gegen den ausdrücklichen Willen der unterstützten Hauptpartei eingelegte Berufung unzulässig.
Rz. 121
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 122
Nach § 67 S. 1 ZPO ist der Nebenintervenient berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit seine Erklärungen und Handlungen nicht mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Danach ist es dem Streithelfer grundsätzlich unbenommen, das der Hauptpartei zustehende Rechtsmittel einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht. Das Rechtsmittel ist aber unzulässig, wenn die Hauptpartei dessen Einlegung widerspricht. Daraus folgt, dass der einfache Streithelfer keinen Rechtsschutz im eigenen Interesse verlangen kann; er unterstützt lediglich die Hauptpartei, der er beigetreten ist. Das Rechtsmittel eines einfachen Streithelfers ist daher, auch wenn er dabei in eigenem Namen und kraft eigenen (prozessualen) Rechts neben der Hauptpartei handelt, stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei.
Rz. 123
Ob ein Widerspruch i.S.d. § 67 S. 1 Hs. 2 ZPO vorliegt, ist vom Rechtsbeschwerdegericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Würdigung aller aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte umfassend zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass ein Widerspruch der Hauptpartei nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Es reicht vielmehr aus, wenn sich dieser durch schlüssiges Verhalten aus dem Gesamtverhalten der Hauptpartei zweifelsfrei ergibt, wobei allein die bloße Untätigkeit oder auch eine Zurücknahme des von der Hauptpartei zunächst selbst eingelegten Rechtsmittels nicht genügen. Steht ein möglicher Widerspruch jedoch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit fest, ist die Prozesshandlung im Zweifel als wirksam anzusehen.
Rz. 124
Nicht den Schranken des § 67 S. 1 Hs. 2 ZPO unterliegt der streitgenössische Nebenintervenient. Als Streitgenosse der Hauptpartei gilt der Nebenintervenient, insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des Prozessrechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist (§ 69 ZPO). Als Streitgenosse kann ein Nebenintervenient auch gegen den Willen der Hauptpartei ein Rechtsmittel durchführen. Das Gesetz räumt ihm mit Rücksicht auf die stärkere Einwirkung des Urteils auf seine rechtlichen Belange ein eigenes Prozessführungsrecht ein, das unabhängig von dem Willen der von ihm unterstützten Hauptpartei ist. Schon nach dem Wortlaut des § 69 ZPO ist aber erforderlich, dass zwischen dem Nebenintervenienten und dem Prozessgegner der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Rechtsverhältnis besteht, auf das sich d...