Rz. 120
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Da die Nebenintervenientin nur einfache Streithelferin der Beklagten sei, sei die von ihr gegen den ausdrücklichen Willen der unterstützten Hauptpartei eingelegte Berufung unzulässig.
Rz. 121
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 122
Nach § 67 S. 1 ZPO ist der Nebenintervenient berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit seine Erklärungen und Handlungen nicht mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Danach ist es dem Streithelfer grundsätzlich unbenommen, das der Hauptpartei zustehende Rechtsmittel einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht. Das Rechtsmittel ist aber unzulässig, wenn die Hauptpartei dessen Einlegung widerspricht. Daraus folgt, dass der einfache Streithelfer keinen Rechtsschutz im eigenen Interesse verlangen kann; er unterstützt lediglich die Hauptpartei, der er beigetreten ist. Das Rechtsmittel eines einfachen Streithelfers ist daher, auch wenn er dabei in eigenem Namen und kraft eigenen (prozessualen) Rechts neben der Hauptpartei handelt, stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei.
Rz. 123
Ob ein Widerspruch i.S.d. § 67 S. 1 Hs. 2 ZPO vorliegt, ist vom Rechtsbeschwerdegericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Würdigung aller aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte umfassend zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass ein Widerspruch der Hauptpartei nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Es reicht vielmehr aus, wenn sich dieser durch schlüssiges Verhalten aus dem Gesamtverhalten der Hauptpartei zweifelsfrei ergibt, wobei allein die bloße Untätigkeit oder auch eine Zurücknahme des von der Hauptpartei zunächst selbst eingelegten Rechtsmittels nicht genügen. Steht ein möglicher Widerspruch jedoch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit fest, ist die Prozesshandlung im Zweifel als wirksam anzusehen.
Rz. 124
Nicht den Schranken des § 67 S. 1 Hs. 2 ZPO unterliegt der streitgenössische Nebenintervenient. Als Streitgenosse der Hauptpartei gilt der Nebenintervenient, insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des Prozessrechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist (§ 69 ZPO). Als Streitgenosse kann ein Nebenintervenient auch gegen den Willen der Hauptpartei ein Rechtsmittel durchführen. Das Gesetz räumt ihm mit Rücksicht auf die stärkere Einwirkung des Urteils auf seine rechtlichen Belange ein eigenes Prozessführungsrecht ein, das unabhängig von dem Willen der von ihm unterstützten Hauptpartei ist. Schon nach dem Wortlaut des § 69 ZPO ist aber erforderlich, dass zwischen dem Nebenintervenienten und dem Prozessgegner der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Rechtsverhältnis besteht, auf das sich die Rechtskraft des ergehenden Urteils auswirkt. Eigentlicher Grund dafür, dass die Befugnisse des streitgenössischen Nebenintervenienten gegenüber einem "einfachen" Streithelfer erheblich erweitert sind, ist nämlich, dass die Rechtskraft der ergehenden Entscheidung gerade für ein Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Prozessgegner von Bedeutung ist. Hingegen genügt es nicht, dass Rechte oder Verbindlichkeiten des Nebenintervenienten durch Rechte oder Verbindlichkeiten der Parteien bedingt oder in anderer Weise mittelbar von der Entscheidung des Hauptprozesses abhängig sind.
Rz. 125
Die Rechtsbeschwerde wandte sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschwerdeführerin sei dem Verfahren als Streithelferin beigetreten und habe es nicht in Wahrnehmung ihrer Prozessführungsbevollmächtigung aus § 100 VVG i.V.m. Ziff. 5.2 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB 2016) für die Beklagte als ihre Versicherungsnehmerin und in deren Namen geführt. Etwas anderes wäre angesichts der hier in Rede stehenden Interessenkollision zwischen der Beklagten und der Beschwerdeführerin als ihrem Privathaftpflichtversicherer auch nicht möglich gewesen (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2010 – IV ZR 107/09, NJW 2011, 377 ff. Rn 15 f.).
Rz. 126
Zu Recht hatte das Berufungsgericht die Beschwerdeführerin als einfache und nicht als streitgenössische Nebenintervenientin behandelt. Anders als etwa ein Kraftfahrzeug-haftpflichtversicherer, der nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG direkt von dem Gegner seines Versicherungsnehmers in Anspruch genommen werden und auf dessen Rechtsverhältnis zu dem Gegner sich nach § 124 Abs. 1 VVG die Rechtskraft der in dem zwischen den Hauptparteien geführten Prozess erlassenen Entscheidung auswirken kann (vgl. Senat, Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 337/18, NJW 2019, 3788 Rn 16; Beschl. v. 29.11.2011 – VI ZR 201/10, NJW-RR 2012, 233 Rn 5), steht die Beschwerdeführerin als Privathaftpflichtversicherer der Beklagte...