Norbert Schneider, Lotte Thiel
a) Erstinstanzliches Verfahren
Rz. 281
Für das Betreiben des Verfahrens erhält der Anwalt zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 u. 2 VV auf 0,8 ermäßigt. Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 3 VV ist unanwendbar, da das Verfahren nicht die Erteilung einer Genehmigung oder Zustimmung zum Gegenstand hat, sondern vom Gericht eine rechtsgestaltende Entscheidung begehrt wird.
Beispiel 128: Kindergeldverfahren
Der Kindesvater beantragt, ihn mit Wirkung ab dem 1.1.2018 zum Berechtigten für die Auszahlung des Kindergelds für seinen minderjährigen Sohn zu bestimmen. Das FamG entscheidet ohne mündliche Verhandlung und setzt den Verfahrenswert auf 500,00 EUR fest.
Der Anwalt erhält lediglich eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Eine Terminsgebühr fällt nicht an (siehe Rdn 285).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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11,70 EUR |
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Zwischensumme |
70,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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13,34 EUR |
Gesamt |
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83,54 EUR |
Rz. 282
Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da der Antrag von einem Eltern-, Pflegeeltern- oder Großelternteil zu stellen ist.
Rz. 283
Eine vorangegangene Geschäftsgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Rz. 284
Soweit es zu einem gerichtlichen Termin oder einer Besprechung i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV kommt, entsteht eine 1,2-Terminsgebühr. Eine Ermäßigung nach Nr. 3105 VV ist nicht möglich, da eine Versäumnisentscheidung in diesen Verfahren nicht ergehen kann.
Beispiel 129: Kindergeldverfahren mit gerichtlichem Termin
Die Kindesmutter beantragt beim FamG sie als Bezugsberechtigte für die minderjährige Tochter zu bestimmen. Das FamG entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung und setzt den Verfahrenswert auf 500,00 EUR fest.
Jetzt erhält der Anwalt neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV auch eine 1,2-Terminsgebühr.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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54,00 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
132,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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25,18 EUR |
Gesamt |
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157,68 EUR |
Rz. 285
Ergeht die Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung oder schließen die Beteiligten einen schriftlichen Vergleich, ist Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht anwendbar, da im Verfahren weder eine Erörterung noch eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (arg. e § 32 Abs. 1 FamFG).
Rz. 286
Kommt es im Verfahren zu einer Einigung, die möglich ist, da die Beteiligten über das Bestimmungsrecht verfügen können, dann entsteht eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV. Hier dürfte auch ein "Anerkenntnis" eine Einigungsgebühr auslösen, da dies nichts anderes ist als die einvernehmliche Bestimmung des anderen Teils.
Beispiel 130: Kindergeldverfahren mit Einigung im gerichtlichen Termin
Die Großmutter beantragt die Kindergeldbezugsberechtigung für ihren minderjährigen Enkel. Im Termin schließen die Beteiligten einen Vergleich über die Berechtigung des Kindergelds. Das FamG setzt den Verfahrenswert auf 500,00 EUR fest.
Zu der Verfahrens- und Terminsgebühr kommt jetzt auch eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV). Diese beläuft sich auf 1,0 (Nr. 1003 VV).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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54,00 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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45,00 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
177,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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33,73 EUR |
Gesamt |
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211,23 EUR |
Beispiel 131: Kindergeldverfahren mit schriftlichem Vergleich
Die Pflegemutter beantragt, sie mit Wirkung vom 1.2.2018 zum Berechtigten für das Kindergeld des Pflegekindes zu bestimmen. Bevor es zu einem gerichtlichen Termin kommt, schließen die Beteiligten einen schriftlichen Vergleich über die Bezugsberechtigung.
Jetzt entsteht neben der Verfahrensgebühr nur die Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV). Eine Terminsgebühr entsteht nicht, da kein Termin nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV stattgefunden hat und Anm. Nr. 1 zu Nr. 3104 VV mangels obligatorischer mündlicher Verhandlung nicht anwendbar ist.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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2. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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45,00 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
123,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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23,47 EUR |
Gesamt |
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146,97 EUR |
b) Erinnerung
Rz. 287
Soweit die Beschwerde mangels Erreichens des erforderlichen Werts des Beschwerdegegenstands von über 600,00 EUR nicht zulässig ist, ist gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG die Erinnerung gegeben.
Rz. 288
Die Erinnerung ist eine eigene selbstständige Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG).
Rz. 289
Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 2 S. 1, 3 RVG. Das Interesse dürfte entsprechend § ...