Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Überblick
Rz. 97
Verfahren betreffend die elterliche Sorge sind Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1 FamFG. Es gelten die §§ 152 ff. FamFG.
Rz. 98
Wird das Sorgerechtsverfahren zunächst als Folgesache im Verbund geführt und dann später aus dem Verbund abgetrennt, so wird es dadurch zur selbstständigen Familiensache (§ 137 Abs. 5 S. 2 FamFG). Der Anwalt kann dann das Sorgerechtsverfahren gesondert abrechnen, sodass die nachfolgenden Ausführungen gelten. Das Verfahren vor und nach Abtrennung gilt in diesem Fall allerdings als eine Angelegenheit (§ 21 Abs. 3 RVG) (zur Anrechnung der im Verbund bereits verdienten Gebühren siehe § 10 Rdn 174 ff.).
Rz. 99
Möglich ist auch, dass ein selbstständiges Sorgerechtsverfahren nach Einreichung des Scheidungsantrags in den Verbund aufgenommen wird (§ 137 Abs. 4 FamFG). Dann gelten die bis zur Aufnahme entstandenen Gebühren des isolierten Verfahrens, so dass insoweit auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen werden kann. Nach der Aufnahme richten sich die Gebühren dagegen nach den Vorschriften des Verbundverfahrens (zur Abrechnung bei Aufnahme in den Verbund siehe § 10 Rdn 185 ff.).
Rz. 100
Die Gebühren des Anwalts in Verfahren der elterlichen Sorge richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 (Anm. Abs. 2 zu Nr. 1003 VV).
Rz. 101
Ausnahmsweise ist hier eine Erhöhung der Verfahrensgebühr für mehrere Auftraggeber nach Nr. 1008 VV möglich, wenn der Anwalt die Eltern in Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge vertritt (siehe Rdn 113).
2. Gegenstandswert
Rz. 102
Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Es gilt ein Regelwert von 3.000,00 EUR.
Beispiel 34: Verfahrenswert Sorgerechtsverfahren
Die Ehefrau beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das gemeinschaftliche Kind.
Die Gegenstandswert beträgt 3.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).
Rz. 103
Werden wechselseitige Anträge zur elterlichen Sorge gestellt, bleibt es vorbehaltlich einer Anhebung nach § 45 Abs. 3 FamGKG beim einfachen Wert. Auch bei gegenläufigen Anträgen in Kindschaftssachen handelt es sich nur um einen Verfahrensgegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 FamGKG. Die Bewertung ist daher einheitlich aufgrund aller Anträge vorzunehmen. Es liegt kein Fall des § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG vor.
Beispiel 35: Wechselseitige Sorgerechtsanträge zum selben Kind
Die Ehefrau beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das gemeinschaftliche Kind. Der Ehemann reicht einen Widerantrag ein und beantragt seinerseits die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge an sich.
Die Gegenstandswert beträgt auch hier 3.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).
Rz. 104
Betrifft das Verfahren mehrere Kinder, liegt nur ein Gegenstand vor (§ 45 Abs. 2 FamGKG).
Beispiel 36: Sorgerechtsantrag für mehrere Kinder
Die Ehefrau beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die drei gemeinschaftlichen Kinder.
Die Gegenstandswert beträgt auch hier – vorbehaltlich einer Anhebung nach § 45 Abs. 3 FamGKG – 3.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).
Rz. 105
Auch dann, wenn für verschiedene Kinder wechselseitige Anträge gestellt werden, liegt nur ein Gegenstand vor (§ 45 Abs. 2 FamGKG).
Beispiel 37: Wechselseitige Sorgerechtsanträge zu verschiedenen Kindern
Die Ehefrau beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die gemeinschaftliche Tochter. Der Ehemann stellt einen Widerantrag und beantragt die alleinige elterliche Sorge für den gemeinschaftlichen Sohn.
Der Gegenstandswert beträgt auch hier – vorbehaltlich einer Anhebung nach § 45 Abs. 3 FamGKG – 3.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).
Rz. 106
Der Verfahrenswert kann bei Unbilligkeit im Einzelfall herauf- oder herabgesetzt werden (§ 45 Abs. 3 FamGKG). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn umfangreiche Anhörungen erfolgen, ein ausführliches Sachverständigengutachten eingeholt wird, wenn im Rahmen des Antrags nach § 1671 BGB Maßnahmen nach § 1666 BGB geprüft und weitere Kinder im Verfahrensverlauf einbezogen werden, unterschiedliche Teilbereiche der elterlichen Sorge geltend gemacht und im Verfahren überprüft werden oder andere, vom Durchschnittsfall abweichende, Umstände die Erhöhung des Verfahrenswerts rechtfertigen.
Rz. 107
Wird im Verfahren der elterlichen Sorge eine weitere Kindschaftssache mit anhängig gemacht, sind die Werte der einzelnen Kindschaftssachen zu addieren (§ 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG).
Beispiel 38: Sorgerechtsantrag und Antrag auf Kindesherausgabe
Die Ehefrau beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die gemeinschaftliche Tochter und beantragt zugleich die Herausgabe des Kindes.
Der Gegenstandswert der elterlichen Sorge beträgt 3.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG), ebenso der Wert des Antrags auf Kindesherausgabe (§ 45 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG). Der Wert des Verfahrens beträgt damit insgesamt 6.000,00 EUR (§ 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG).
Rz. 108
Wird eine Zwischeneinigung getroffen, ist grundsätzlich ein geringerer ...