Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 32
Da das Mandat aber in der Regel heutzutage häufig nicht einem einzelnen Anwalt einer Berufsausübungsgesellschaft erteilt wird, sondern der gesamten, aus mehreren Anwälten bestehenden Berufsausübungsgesellschaft (Ausnahme: Strafverteidigung), stellt sich die Frage der Notwendigkeit einer berufsrechtlichen Vertreterbestellung in vielen Fällen nicht. Da im Rahmen des erteilten Mandats jeder vertretungsberechtigte Rechtsanwalt originär berechtigt und ggf. sogar verpflichtet ist, entsprechende Handlungen/Prozesshandlungen auszuüben und Empfangsbekenntnisse bei ordnungsgemäßer Zustellung gem. § 14 BORA i.V.m. §§ 173 Abs. 3, 175, 172, 195 ZPO abzugeben, ist die Bestellung einer Vertretung nicht erforderlich. Gleichwohl wird häufig auch für Kollegen innerhalb der Kanzlei mit "i.V." signiert, auch um z.B. einem Mandanten zu verdeutlichen, dass "sein Anwalt" nicht gewechselt hat. Denn eigentlich wäre es bei Mandatserteilung an die Berufsausübungsgesellschaft rechtlich unerheblich, welcher der zur Berufsausübungsgesellschaft gehörenden, ohnehin vertretungsberechtigten Rechtsanwälte als Mandatsträger nun den Schriftsatz verantwortet. So ist es auch völlig üblich, dass jeder Anwalt "seine Mandate" betreut und bearbeitet und z.B. bei drohendem Fristablauf um Verlängerung gebeten wird, weil der "alleinige Sachbearbeiter unter erheblicher Arbeitsüberlastung" leidet. Bisher wird dies in der Rechtsprechung auch nicht thematisiert, da auch der BGH in ständiger Rechtsprechung einen bloßen Hinweis auf die Arbeitsüberlastung des Sachbearbeiters für ausreichend erachtet und eine weitere Substantiierung, z.B. warum ein anderer Anwalt der Kanzlei nicht den Schriftsatz abfassen könnte, bisher vom BGH nicht verlangt wird. Allerdings muss der Schriftsatz erkennen lassen, dass der "Unterzeichner für den Inhalt des Vortrags die volle Verantwortung übernimmt und sich diesen zu eigen gemacht hat. Insofern tragen auch Praxis und Rechtsprechung wohl dem Umstand Rechnung, dass zwar das Mandat der Berufsausübungsgesellschaft erteilt wird (auch wichtig für Abrechnungs- und Gewinnverteilungsfragen), gleichwohl aber in der Regel einer oder wenige Anwälte der Berufsausübungsgesellschaft das Mandat bearbeiten. Dies ist auch bei den Gerichten nicht anders. Jeder Richter, zugehörig neben vielen anderen Richtern zu einem Gericht, bearbeitet "seine Fälle". Auch hier wird nicht verlangt, dass sich bei längerer Urlaubsabwesenheit des Vorsitzenden ein Kollege in den Fall "hineindenkt" und entscheidet. Insofern kann man nur hoffen, dass diese Praxis weiter erhalten bleibt."
Rz. 33
Im Bereich der Zustellung gegen elektronisches Empfangsbekenntnis können sich allerdings Fragen ergeben, sofern ein Gesellschafts-beA existiert, siehe dazu auch § 2 Rdn 34 ff. und § 15 Rdn 167 ff.
Rz. 34
Ein Anwalt einer Berufsausübungsgesellschaft kann bei längerer Abwesenheit einen Mitarbeiter beauftragen, seine im beA eingehende Post an einen Kollegen der Kanzlei weiterzuleiten (durch Weiterleitungsfunktion im beA) oder z.B. durch Vorlage nach Ausdruck der weiteren Bearbeitung zuführen. Dieser Anwalt übernimmt dann erforderliche weitere Schritte bezogen auf das Mandat. Die Abgabe von formgerechten elektronischen Empfangsbekenntnissen bei Anforderung mittels Strukturdatensatz ist allerdings ausschließlich aus dem beA heraus möglich, in welchem es angefordert worden ist, siehe hierzu auch § 15 Rdn 96 ff in diesem Werk. Bei Weiterleitung einer Nachricht steht der Strukturdatensatz nicht mehr zur Verfügung. Bei Nutzung eines Gesellschafts-beA erübrigt sich jedoch eine Weiterleitung, da jeder Anwalt, der in der Berufsausübungsgesellschaft seinen Beruf ausübt und dem die Rolle des "VHN-Berechtigten" bzw. die Rolle der "Vertretung" oder Rolle des "Zustellungsbevollmächtigten" vergeben worden ist, ohne qualifizierte elektronische Signatur aus dem Gesellschafts-beA direkt heraus formgerecht Empfangsbekenntnisse abgeben kann, da er das Recht 30 mit der entsprechenden Rolle automatisch vergeben erhalten hat, siehe dazu auch Rdn 64 in diesem Kapitel.
Rz. 35
Ist ein Gesellschafts-beA nicht vorhanden (z.B. bei einer GbR, die keinen Zulassungsantrag gestellt hat, weil sie es nicht muss, § 59f Abs. 1 S. 2 BRAO, und auch nicht möchte, § 59f Abs. 1 S. 3 BRAO) und wird ausschließlich mit beAs von natürlichen Personen (sog. Einzel-beAs) gearbeitet, ist es daher empfehlenswert, im eigenen Postfach die entsprechenden Kollegen zu berechtigen (Rolle Vertretung), sodass von diesen unmittelbar Einsicht in eingehende Post genommen werden kann und eine formgerechte Abgabe von Empfangsbekenntnissen via Strukturdatensatz durch den eigentlichen Sachbearbeiter möglich ist. Ob dabei die Rollen-/Rechtevergabe an alle oder nur einzelne Kollegen der Kanzlei erfolgt, muss jeder Postfachinhaber eines Einzel-beAs für sich selbst entscheiden. Die Berechtigungsvergabe an Kollegen ist auch sinnvoll, um so das Versenden von Post in Mandaten des vertretenen Kollegen aus dessen Postfach heraus vornehmen zu k...