Rz. 4
Das absolute Kündigungsverbot setzt bei einer normal herbeigeführten Schwangerschaft objektiv das Bestehen der Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung voraus. Zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft ist von dem in einem ärztlichen Attest prognostizierten Entbindungstag um 280 Tage zurückzurechnen, wobei der voraussichtliche Entbindungstag nicht mitzurechnen ist. Diese Berechnungsmethode des BAG wurde in der jüngeren Vergangenheit vom LAG Baden-Württemberg und Teilen der Literatur abgelehnt. Bei der Rückberechnung handele es sich um eine Herleitung des wahrscheinlichen Schwangerschaftsbeginns über statistische Wahrscheinlichkeiten. Dies soll jedoch allenfalls über einen Anscheinsbeweis möglich sein. Es müsse daher auf den typischen Geschehensablauf ankommen. Eine solche typische Wahrscheinlichkeitsbeurteilung könne nur für den Zeitraum von 266 Tagen vor der (voraussichtlichen) Entbindung getroffen werden. Entgegen der Berechnung des BAG vom ersten Tag der letzten Regelblutung sei ein Schwangerschaftsbeginn in diesem Zeitraum höchst unwahrscheinlich, mithin nahezu ausgeschlossen. Eine Umkehr des BAG ist jedoch nicht zu erwarten. Es hat sich erst kürzlich mit kritischen Stimmen auseinandergesetzt und dabei die ständige Rechtsprechung bestätigt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes der Schwangeren ist auf die Rückrechnung um 280 Tage von dem vom Arzt angegebenen voraussichtlichen Entbindungstermin abzustellen.
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung nur erschüttern, wenn er darlegen und beweisen kann, dass das Vorliegen einer Schwangerschaft bei Kündigungszugang gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen würde. Ergibt sich nach dieser Berechnung, dass die Schwangerschaft erst nach Zugang der Kündigung eingetreten ist, oder wird eine Schwangerschaft lediglich irrtümlich angenommen, greift § 17 MuSchG nicht ein. Ob eine Bauchhöhlenschwangerschaft ausreicht, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, dürfte aber im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm zu bejahen sein.
Bei einer Befruchtung außerhalb des Körpers, also einer In-vitro-Fertilisation (IVF) stellt das BAG für die Annahme einer Schwangerschaft auf den Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter ab (sog. Embryonentransfer). Es kommt demnach aus Gründen der Rechtssicherheit bei einer IVF weder die 280-Tage-Regel zur Anwendung, noch kommt es auf den Zeitpunkt der erfolgreichen Einnistung der Eizelle (Nidation) an.
Rz. 5
Die Schwangerschaft muss zu einer Entbindung geführt haben, sonst entfällt der Mutterschutz. Eine Entbindung im Sinne des Gesetzes liegt auch bei Früh- und Totgeburten vor. § 17 Abs. 1 MuSchG findet daher Anwendung, wenn einer Arbeitnehmerin eine Kündigung in dem Zeitraum zwischen Versterben ihres Kindes in der Gebärmutter mit einem Gewicht von mindestens 500 Gramm und der Entbindung, also der Trennung der toten Leibesfrucht vom Mutterleib, zugeht. Bei einer Fehlgeburt wird die Schwangerschaft dagegen ohne Entbindung beendet. Eine Fehlgeburt liegt vor, wenn sich bei der Leibesfrucht kein Lebensmerkmal gezeigt und ihr Gewicht weniger als 500 Gramm betragen hat. Ebenfalls keine Entbindung liegt gemeinhin bei einem Schwangerschaftsabbruch vor, sodass hier der besondere Kündigungsschutz nicht eingreift. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Leibesfrucht ein Gewicht von mindestens 500 Gramm hat und der Schwangerschaftsabbruch bzw. die Einleitung der Geburt medizinisch indiziert war.