Rz. 45
Am 1.7.2008 ist das Gesetz über die Pflegezeit in Kraft getreten. Das Ziel dieses Gesetzes ist, wie in § 1 PflegeZG normiert, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen, ohne dass berufliche Nachteile eintreten. Damit soll eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege geschaffen werden. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und der bis zu sechsmonatigen Pflegezeit.
Am 1.1.2012 ist das Gesetz zur Vereinbarung von Pflege und Beruf (Familienpflegezeitgesetz) in Kraft getreten. Gem. § 1 FPfZG ist es das Ziel dieses Gesetzes, die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern. Da die Pflege oftmals länger als sechs Monate dauert, soll Angehörigen über den maximalen Zeitraum des PflegeZG hinaus die Möglichkeit gegeben werden, in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren nahe Angehörige häuslich zu pflegen. In diesem Zeitraum ist es möglich, bei reduzierter Stundenzahl im Beruf weiterzuarbeiten, aber gleichzeitig die finanzielle Lebensgrundlage durch eine staatlich geförderte Aufstockung des Arbeitsentgelts zu erhalten.
I. Geltungsbereich und Dauer
Rz. 46
Das PflegeZG gilt gem. § 1 nicht nur für Arbeitnehmer, sondern generell für Beschäftigte. Der Begriff des Beschäftigten ist in § 7 Abs. 1 PflegeZG definiert. Danach sind Beschäftige im Sinne des PflegeZG Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, wozu ausdrücklich auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten gehören. Der Sonderkündigungsschutz besteht von der Ankündigung der Inanspruchnahme, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Pflegezeit nach §§ 3, 4 PflegeZG. Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung besteht maximal für einen Zeitraum von zehn Tagen. Die Pflegezeit kann bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten beansprucht werden.
Dagegen kann die Familienpflegezeit bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren in Anspruch genommen werden. Der Sonderkündigungsschutz besteht nach § 2 Abs. 3 FPfZG während der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit, aber auch während der Nachpflegephase. Zur Begriffsbestimmung des Beschäftigten verweist § 2 Abs. 3 FPfZG auf § 7 PflegeZG.
II. Voraussetzungen des Kündigungsschutzes
Rz. 47
Der in § 5 Abs. 1 PflegeZG geregelte Kündigungsschutz setzt voraus, dass eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung oder Pflegezeit bei einem nahen Angehörigen vorliegt.
Praxishinweis
Ob das Arbeitsverhältnis unter den Anwendungsbereich des KSchG fällt, ist unerheblich. Auch in Kleinbetrieben und bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten kann der Sonderkündigungsschutz nach § 5 PflegeZG daher bestehen.
Rz. 48
In § 7 Abs. 3 PflegeZG ist der Begriff des nahen Angehörigen definiert. Danach sind nahe Angehörige nach Nr. 1 Großeltern, Eltern und Schwiegereltern; nach Nr. 2 Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft und Geschwister; nach Nr. 3 Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder. Onkel und Tanten sowie Kinder des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft werden also nicht erfasst.
1. Voraussetzungen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG
Rz. 49
Es muss eine akute Pflegebedürftigkeit vorliegen. Wer pflegebedürftig im Sinne des PflegeZG ist, wird in § 7 Abs. 4 PflegeZG definiert. Demnach sind Personen, die die Voraussetzungen nach §§ 14 und 15 SGB XI erfüllen oder voraussichtlich erfüllen werden, pflegebedürftig, also Personen, die zumindest Pflegegrad 1 erfüllen.
Praxishinweis
Da es sich um akute Pflegesituationen handelt, liegt regelmäßig eine Entscheidung der Pflegekasse über die Pflegestufe noch nicht vor. Es ist daher eine auf objektiven Umständen basierende Prognose zu treffen, dass der Eintritt der Pflegebedürftigkeit wahrscheinlich ist.
Die Pflegesituation ist akut, wenn sie plötzlich, also unerwartet und unvermittelt aufgetreten ist und der nahe Angehörige darauf zeitnah und zügig reagieren muss, um eine sofortige pflegerische Versorgung zu gewährleisten. Eine bereits bestehende Pflegebedürftigkeit, die unverändert ist, genügt nicht. Zum anderen muss die Arbeitsbefreiung deswegen erforderlich sein. Der Beschäftigte ist verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer nach § 2 Abs. 2 S. 1 PflegeZG mitzuteilen. Die zehn Arbeitstage müssen nicht zusammenhängend genommen werden. Der Arbeitgeber hat dann das Recht, eine ärztliche Bescheinigung, die insbesondere über die Notwendigkeit der Pflegemaßnahmen Auskunft gibt, vom Arbeitnehmer zu verlangen. Der Anspruch auf kurzzeitige Freistellung besteht unabhängig von einer best...