Rz. 92
Um die Unabhängigkeit für die Ausübung des Amtes und die Kontinuität der Amtsführung während der Wahlperiode sicherzustellen, gewährt § 15 KSchG den Mitgliedern des Betriebsrats sowie anderen, im Einzelnen näher bezeichneten Arbeitnehmervertretungen einen besonderen Kündigungsschutz, der in seiner Kernaussage die ordentliche Kündigung ausschließt. Darüber hinaus darf die zulässige außerordentliche Kündigung nur nach Zustimmung des Betriebsrats gem. § 103 BetrVG oder einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzung ausgesprochen werden.
I. Geltungsbereich und Dauer
Rz. 93
§ 15 Abs. 1 KSchG gewährt den besonderen Kündigungsschutz Betriebsratsmitgliedern, Mitgliedern einer Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie der Arbeitnehmervertretung auf Schiffen. Die Regelung ist zwingend, sodass ein Verzicht des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung nicht in Betracht kommt. Nach Erhalt der Kündigung bleibt es dagegen dem Betroffenen überlassen, ob er sich gegen die Kündigung wehren oder bspw. das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden möchte. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet dann auch das Amt in der Arbeitnehmervertretung. Das gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Amtsträger wirksam befristet oder in zulässiger Weise eine auflösende Bedingung vereinbart worden ist. So enden die nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern ebenso wie diejenigen anderer Arbeitnehmer mit Ablauf der vereinbarten Befristung. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 2 TzBfG aus unionsrechtlichen Gründen kommt nicht in Betracht.
Der Schutz des § 15 Abs. 1 KSchG erstreckt sich auf alle ordnungsgemäß gewählten Betriebsratsmitglieder. War die Betriebsratswahl wegen eines besonders schweren Mangels nichtig, besteht zu keinem Zeitpunkt besonderer Kündigungsschutz. Ist die Betriebsratswahl zwar nicht nichtig, aber erfolgreich angefochten worden, bleibt der Kündigungsschutz bis zur rechtskräftigen Entscheidung bestehen. Gem. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG entfällt dann allerdings der nachwirkende Kündigungsschutz. Dem besonderen Kündigungsschutz unterliegen alle Mitglieder des Gesamt- und Konzernbetriebsrats, da diese immer auch Mitglieder des Betriebsrats sind. Der Kündigungsschutz setzt mit Beginn der Amtszeit ein und endet gem. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit, und zwar auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied sein Amt selbst niedergelegt hat. Der Kündigungsschutz besteht fort, auch wenn die Betriebsratswahl anfechtbar, nicht aber nichtig ist.
Rz. 94
Ebenfalls kündigungsgeschützt sind Mitglieder des Wahlvorstands. Der Schutz beginnt gem. § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG mit dem Zeitpunkt der Bestellung und besteht bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Bei Nichtigkeit der Bestellung besteht kein Kündigungsschutz (anders bei bloßer Fehlerhaftigkeit). Der nachwirkende Kündigungsschutz ist im Vergleich zu den Betriebsratsmitgliedern kürzer ausgestaltet und beträgt gem. § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG sechs Monate ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG für gerichtlich bestellte Mitglieder des Wahlvorstands beginnt mit der Verkündung des Einsetzungsbeschlusses. Allerdings genießen gerichtlich bestellte Mitglieder gem. § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG keinen nachwirkenden Kündigungsschutz. Nicht kündigungsgeschützt sind dagegen die Bewerber für den Wahlvorstand.
Rz. 95
Einen ähnlichen Schutz wie die Mitglieder des Wahlvorstands genießen die Wahlbewerber zum Betriebsrat. In zeitlicher Hinsicht setzt der Schutz gem. § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG im Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags ein. Ein Wahlvorschlag gilt als aufgestellt, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und ein Wahlvorschlag für den Kandidaten vorliegt, der die erforderliche Zahl von Stützungsunterschriften aufweist. Auch die Übernahmepflicht des § 15 Abs. 5 KSchG gilt uneingeschränkt für Wahlbewerber. Der besondere Kündigungsschutz endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses und wirkt gem. § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG sechs Monate nach.
Praxishinweis
Wird in einem bisher betriebsratslosen Betrieb erstmalig ein Betriebsrat gewählt, ist für die beabsichtigte Kündigung eines Wahlbewerbers die Zustimmung des Arbeitsgerichts einzuholen. Ist der Betriebsrat nach der erstinstanzlichen Entscheidung gebildet und der Wahlbewerber zum Betriebsrat gewählt worden, ist die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Danach kann das Beschlussverfahren mit geändertem Antrag fortgeführt werden.
Kandidaten für das Amt des Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl stellen hingegen keine Wahlbewerber im Sinne des § 15 Abs. 3 KSchG dar und genießen folglich keinen Sonderkündigungsschutz.
Rz. 96
Praxishinweis
Nach Beendigung des nachwirkenden Kündigungsschutzes...