1. Ordentliche Kündigung
a) Unzulässigkeit der ordentlichen Kündigung
Rz. 100
Genießt ein betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger während der Amtszeit oder im Nachwirkungszeitraum den besonderen Kündigungsschutz, ist eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich unzulässig. Auch in der Insolvenz genießen Betriebsratsmitglieder besonderen Kündigungsschutz. Sie sind daher weder in die Sozialauswahl einzubeziehen noch ist das Recht des Insolvenzverwalters, gem. § 113 InsO zu kündigen, eine Kündigung aus wichtigem Grund i.S.d. § 15 Abs. 1–3a KSchG. Ausnahmen sieht das Gesetz nur für den Fall der Stilllegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung gem. § 15 Abs. 4, 5 KSchG vor (vgl. Rdn 103 ff.). Unterbunden ist der Ausspruch, nicht das Wirksamwerden einer Kündigung. Eine vor Beginn des Schutzzeitraumes dem Arbeitnehmer zugegangene Kündigung ist daher jedenfalls nicht deswegen unwirksam, weil die Kündigungsfrist erst im Schutzzeitraum abläuft.
Rz. 101
Unzulässig ist auch eine ordentliche Änderungskündigung und nach der Rspr. des BAG auch die Massenänderungskündigung. Das bedeutet, dass eine ordentliche Änderungskündigung (z.B. zur Herabgruppierung) selbst dann nicht ausgesprochen werden darf, wenn gleichzeitig allen anderen Arbeitnehmern des Betriebs eine derartige Änderungskündigung erklärt wird und die Arbeitsbedingungen des Betriebsratsmitglieds lediglich denen der anderen Arbeitnehmer angepasst werden sollen.
Rz. 102
Eine nach § 15 Abs. 1–3a KSchG erklärte ordentliche Kündigung ist gem. § 134 BGB nichtig. Dies gilt selbst dann, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, der Arbeitgeber aber nicht außerordentlich, sondern nur ordentlich gekündigt hat. Verweigert der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, gerät er in Annahmeverzug.
b) Ausnahme bei Betriebs- oder Betriebsteilstilllegung
Rz. 103
Im Falle einer Betriebsstilllegung macht das KSchG vom absoluten Kündigungsverbot eine Ausnahme und lässt gem. § 15 Abs. 4 KSchG auch die ordentliche Kündigung zu, sofern keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Maßgeblich ist allein der Betriebsbegriff des KSchG. § 15 Abs. 4 KSchG ist daher bereits dann anwendbar, wenn ein Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG stillgelegt wird. Der frühestmögliche Kündigungstermin ist gem. § 15 Abs. 4 KSchG der Zeitpunkt der Betriebsstilllegung, es sei denn, dass die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn nur noch Restarbeiten zur Abwicklung der Stilllegung auszuführen sind und hierfür bestimmte andere Arbeitnehmer des Betriebs unentbehrlich sind. Erfolgt keine Betriebsstilllegung, weil der Betrieb zuvor veräußert wird, ist die Kündigung wegen des Übergangs auf den Betriebserwerber gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
Rz. 104
Praxishinweis
Der Zeitpunkt der Betriebsstilllegung markiert nur den frühestmöglichen Kündigungstermin, ersetzt jedoch nicht die individuelle Kündigungsfrist. Reicht diese aufgrund vertraglicher, tarifvertraglicher oder gesetzlicher Vorschriften über den geplanten Zeitpunkt der Betriebsstilllegung hinaus, kann das Arbeitsverhältnis erst zu diesem Zeitpunkt beendet werden.
Rz. 105
Bei der Stilllegung einer Betriebsabteilung lässt § 15 Abs. 5 KSchG die ordentliche Kündigung erst dann zu, wenn die geschützte Person nicht in eine andere Betriebsabteilung übernommen werden kann. Die Übernahmepflicht des Arbeitgebers bezieht sich darauf, eine Weiterbeschäftigung zu möglichst gleichwertigen Bedingungen zu gewährleisten. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung seines Direktionsrechts oder gegebenenfalls durch Kündigung für den Mandatsträger freizumachen. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in der anderen Abteilung nicht vorhanden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Mandatsträger, bevor er eine Beendigungskündigung erklärt, die Beschäftigung auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz anzubieten und hierzu gegebenenfalls eine Änderungskündigung auszusprechen. Bei der Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten haben die Interessen der über § 15 Abs. 5 KSchG geschützten Person nicht automatisch Vorrang, vielmehr ist eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Ein Anspruch auf Beförderung, also auf einen höherwertigen Arbeitsplatz in einer anderen Betriebsabteilung besteht dagegen nicht. Anderenfalls würde gegen das Verbot der Besserstellung von Betriebsräten gem. § 78 S. 2 BetrVG verstoßen werden, da nicht besonders g...