Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 155
Außer bei der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) führt die Ehe nicht zu einem gemeinschaftlichen Ehevermögen, sondern jedem Ehegatten bleiben weiterhin seine Vermögensgegenstände dinglich zugeordnet. Trotzdem betrachten die meisten Eheleute während der Ehezeit ihr beiderseitiges Vermögen faktisch als Einheit und wollen dieses meist auch beim Tod eines von ihnen bewahren. Eheleute wollen in aller Regel eine Variante, die einerseits mindestens die Alleinverwaltung des "Ehevermögens" – bestehend aus dem Nachlass des Erstversterbenden und dem Eigenvermögen des Überlebenden – durch den Überlebenden sichert und andererseits verhindert, dass der überlebende Ehegatte die gemeinsam getroffene Nachfolgeregelung auf Ableben des Längstlebenden durch Verfügungen von Todes wegen oder unter Lebenden durchkreuzt. Die gesetzliche Erbfolge befriedigt dieses Bedürfnis nicht.
Rz. 156
Ein gemeinschaftliches Testament liegt vor, wenn Ehegatten ihren letzten Willen gemeinschaftlich erklären, wobei jedoch, sofern es sich nicht um wechselbezügliche Verfügungen handelt, jeder von ihnen ohne inneres Beziehungsverhältnis einseitig für den Fall seines Todes verfügt, beide aber einen gemeinsamen Testierwillen haben, der in einer der gewählten Testamentsform entsprechenden Weise zum Ausdruck gebracht werden muss. Die Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments ist gem. § 2265 BGB ausdrücklich Ehegatten vorbehalten.
Rz. 157
Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zum Einzeltestament ist darin zu sehen, dass aufgrund der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen (§§ 2270, 2271 BGB) eine gegenseitige Bindungswirkung entsteht. Es muss aber nicht immer Wechselbezüglichkeit gegeben sein. Den Ehegatten steht es frei einzelne oder gar keine Anordnungen wechselbezüglich zu gestalten. Hierin liegt gerade der Sinn und Zweck eines Ehegattentestaments.
Praxishinweis
Bei der Testamentsgestaltung hat der Berater ein Augenmerk darauf zu richten, dass der längerlebende Ehepartner durch die Bindungswirkung in seiner letztwilligen Testierfreiheit nicht zu sehr beschnitten wird, um auf überraschende Vorkommnisse nach dem ersten Erbfall reagieren zu können. Die Ehegatten können bestimmen, ob eine Verfügung wechselbezüglich sein soll. Es steht ihnen aber auch das Recht zu, die Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung einzuschränken und sich eine Änderungsbefugnis vorzubehalten. Gerade hier ist der Berater gefragt, hinreichende Erläuterungen zu Vor- und Nachteilen zu geben und eine entsprechende unmissverständliche Klausel i.S.d. Mandanten zu entwerfen.