Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 191
Nach der Scheidung wollen Geschiedene in aller Regel verhindern, dass der frühere Ehegatte weder unmittelbar noch mittelbar an seinem Nachlass partizipiert. Spätestens mit Rechtskraft der Scheidung hat der ehemalige Ehegatte aber ohnehin sein gesetzliches Erbrecht verloren. Dem geschiedenen Ehegatten steht auch kein Pflichtteilsrecht mehr zu, da er nach rechtskräftiger Scheidung nicht mehr Ehegatte i.S.d. § 2303 BGB ist. Eine unmittelbare Teilhabe des früheren Ehegatten aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers ist nach der rechtskräftigen Scheidung meist ebenfalls nicht möglich. Denn Verfügungen zugunsten des Ehegatten in einem einseitigen Testament werden laut § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam, ein gemeinschaftliches Testament seinem ganzen Inhalt nach (§§ 2268, 2077 BGB). Dies gilt nach § 2077 Abs. 3 BGB nicht, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für einen solchen Fall getroffen hätte.
Sind aus der geschiedenen Ehe Kinder hervorgegangen, besteht die Möglichkeit, dass ein geschiedener Ehegatte über diese gleichwohl an dem Nachlass seines früheren Ehegatten partizipiert. Das Vermögen eines Geschiedenen kann in die Hände des Ex-Ehegatten gelangen, wenn die gemeinsamen Kinder sterben, ohne selbst Abkömmlinge zu hinterlassen, nachdem sie Erben des erstversterbenden Elternteils geworden sind. Der überlebende Elternteil wird dann nicht Erbe, wenn die Kinder, nach Erreichen der Testierfähigkeit anderweitig letztwillig verfügt haben. Allerdings wird der überlebende Elternteil über sein Pflichtteilsrecht nach dem Kind gem. § 2303 BGB am Vermögen des geschiedenen Ehegatten indirekt beteiligt. Voraussetzung ist hierfür allerdings erneut, dass die Kinder selbst noch keine Abkömmlinge hinterlassen haben. Zu guter Letzt besteht auch noch die Möglichkeit, dass die Kinder den geschiedenen Ehegatten durch eine letztwillige Verfügung am ursprünglichen Nachlass beteiligen.
Rz. 192
Das Gleiche gilt häufig auch nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Eine direkte Teilhabe des Lebenspartners aufgrund der gesetzlichen Erbfolge scheidet zwar von vorneherein aus. Sind aus der Beziehung jedoch gemeinsame Kinder hervorgegangen, besteht die Möglichkeit, dass das Vermögen des Erblassers über diese mittelbar an den anderen Elternteil gelangt. Folglich besteht auch für diesen Fall Regelungsbedarf.
a) Nacherbenlösung
Rz. 193
Bei dieser Gestaltungsvariante fällt das Erbe zunächst dem Vorerben an, § 2100 BGB. Erst zu einem vom Erblasser bestimmten späteren Zeitpunkt, dem Nacherbfall, geht die Erbschaft auf den Nacherben über, § 2139 BGB. Dabei wird der Nacherbe nicht Erbe des Vorerben, sondern Erbe des Erblassers. Das der Nacherbschaft unterliegende Vermögen bildet in der Hand des Vorerben ein Sondervermögen, das beim Tod des Vorerben nicht in dessen Nachlass fällt. An diesem Sondervermögen können auch keine Pflichtteilsansprüche der Verwandten des Vorerben entstehen. Tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein, was mangels anderer Regelungen vermutet wird, so kommt es nach dem Tod des Vorerben zu zwei Erbfolgen. Hinsichtlich seines eigenen Vermögens wird der Vorerbe durch seine gesetzlichen Erben beerbt oder aber gem. seiner letztwilligen Verfügung. Das der Nacherbschaft unterliegende Sondervermögen wird an den Nacherben weitervererbt. Personen, die vom Erbe ausgeschlossen werden sollen, wie bspw. der geschiedene Ehegatte, können daher weder im Wege der Erbfolge noch über ein etwaiges Pflichtteilsrecht nach dem Vorerben am Nachlass des Erblassers teilnehmen.
b) Bestimmung des Vorerben
Rz. 194
Beim "Geschiedenentestament" wird der Erblasser in aller Regel die gemeinsamen Abkömmlinge aus der geschiedenen Ehe als Vorerbe berufen. Wird ein Abkömmling nicht Vorerbe, weil er entweder vor dem Erbfall oder nach diesem rückwirkend wegfällt, ist der nach ihm zum Nacherben Eingesetzte gem. § 2102 BGB im Zweifel als Ersatzerbe berufen. Sind aus der geschiedenen Ehe mehrere Kinder hervorgegangen und setzt der Erblasser auch mehrere zu Vorerben ein, so bilden diese eine Miterbengemeinschaft nach § 2032 BGB. Mit dem Nacherbfall scheidet der davon betroffene Vorerbe aus der Erbengemeinschaft aus. An seine Stelle rücken der nach ihm berufene Nacherbe oder die Nacherben, im letzteren Fall wiederum in Erbengemeinschaft.
c) Zeitpunkt des Nacherbfalls
Rz. 195
Der Erblasser kann den Zeitpunkt des Nacherbfalls frei bestimmen. Falls er keine Bestimmung getroffen hat, tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein (§ 2106 Abs. 1 BGB). Dem Willen des geschiedenen Ehegatten wird es regelmäßig entsprechen, wenn seine Abkömmlinge aus der geschiedenen Ehe bis zu ihrem Tod Vorerben bleiben. Schließlich sollen die bedachten Abkömmlinge typischerweise eine möglichst umfangreiche Erbenstellung erhalten. Für den Normalfall wird der Erblasser den Nacherbfall so bestimmen, dass er mit dem Tod des Vorerben eintritt.