Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 164
§ 2270 i.V.m. § 2271 BGB ermöglicht im gemeinschaftlichen Testament bindende – sog. wechselbezügliche – Verfügungen zu treffen und damit ähnliche Wirkungen zu erzielen wie durch eine vertragsmäßige Verfügung in einem Erbvertrag. Bei einem Ehegattentestament entsteht die Bindungswirkung mit Ableben des erststerbenden Ehegatten, beim Erbvertrag mit Unterzeichnung des Vertrags. Ein Ehegattentestament kann wechselbezügliche Verfügungen enthalten, aber auch nicht wechselbezügliche. Es kommt deshalb darauf an, welchen Verfügungen die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament den Charakter der Wechselbezüglichkeit geben wollen.
Rz. 165
Wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen der Ehegatten, die mit Rücksicht auf die des Anderen getroffen sind und die miteinander stehen und fallen sollen. Da § 2270 Abs. 1 BGB eine Auslegungsregel darstellt, ist es für die testamentarische Gestaltung unerlässlich, die Wechselbezüglichkeit ausdrücklich zu bestimmen, damit es im Wege einer Auslegung später nicht zu einem vom Erblasser nicht gewünschten Ergebnis kommt.
Rz. 166
Im Regelfall wird davon ausgegangen, dass die Verfügungen beider Ehegatten wechselbezüglich und bindend sein sollen. Es ist aber auch denkbar, dass sich die Wechselbezüglichkeit nur auf die Verfügungen eines Ehegatten beziehen soll.
Rz. 167
Der überlebende Ehegatte ist an seine wechselbezüglichen Verfügungen gebunden und kann nicht mehr abweichend testieren, nachdem er das ihm Zugewandte angenommen hat (§ 2271 Abs. 2 BGB). Mit dieser Rechtsfolge trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass der erstverstorbene Ehegatte seine Verfügung nur im Vertrauen auf die Beständigkeit der Verfügungen des anderen getätigt hatte und dieses Vertrauen über den Tod hinaus geschützt werden muss.
Rz. 168
Abweichend von dieser gesetzlichen Wirkung der Wechselbezüglichkeit können die Wirkungen, die das Gesetz an die Wechselbezüglichkeit knüpft, von den Ehegatten ausgeschlossen oder beschränkt werden. Eine derartige Abänderungsklausel hat den Vorteil, dass dem nach dem Ableben des Erstversterbenden gebundenen Ehegatten die Möglichkeit offen steht, auf überraschende Ereignisse im Leben der möglicherweise als Schlusserben eingesetzten Abkömmlinge zu reagieren. Die Wirkungen der Wechselbezüglichkeit können auch nur für bestimmte Fälle von den Ehegatten abbedungen werden. So kann sich die Abänderungsbefugnis auf eine rein gegenständliche Abänderung – eine Quotenabänderung oder eine allg. Abänderung – beschränken. Des Weiteren ist es auch möglich, den Personenkreis, in dessen Rahmen die Abänderung erfolgen darf, genau zu definieren, z.B. die ehegemeinschaftlichen Kinder und deren Abkömmlinge.
Muster 7.9: Abänderungsklausel
Muster 7.9: Abänderungsklausel
Die in unserem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen für den ersten und auch für den zweiten Todesfall sollen insgesamt wechselbezüglich und bindend sein, mit der Maßgabe, dass der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen die Schlusserbfolge innerhalb unserer ehegemeinschaftlichen Kinder und deren Abkömmlinge in vollem Umfang abändern darf. Der überlebende Ehegatte darf durch Verfügung von Todes wegen die Schlusserbfolge neu bestimmen. Ihm steht das Recht zu, zusätzlich Vermächtnisse, Auflagen und eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. Der überlebende Ehegatte ist aber nicht berechtigt, zugunsten anderer als unserer ehegemeinschaftlichen Kinder und deren Abkömmlinge zu verfügen.