Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
1. Sinn und Zweck der Testamentsvollstreckung
Rz. 126
Durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers kann der Erblasser eine Person seines Vertrauens mit gesetzlich festgelegten Machtbefugnissen für die Zeit nach dem Erbfall hinsichtlich des Nachlasses unter Ausschluss der Erben ausstatten. Der Erblasser will dabei seine Herrschaft über sein Vermögen mit seinem Tod nicht aufgeben, sondern sie über den Tod hinaus durch die Person des Testamentsvollstreckers weiter ausüben. Dies kann aus den verschiedensten Motivlagen heraus geschehen, zum Vorteil, aber auch zum Nachteil des Erben. Völlig zu Recht gewinnt die Testamentsvollstreckung (siehe dazu auch § 16) in der täglichen Praxis immer mehr an Bedeutung.
Rz. 127
In nachstehenden Fallkonstellationen empfiehlt sich die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers:
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Ordnungsgemäße Nachlassverwaltung bei mehreren Beteiligten; |
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Vermächtniserfüllung; |
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Schutz des Nachlasses gegen den Zugriff durch ungeeignete, böswillige oder geschäftsunerfahrene Erben; |
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Vereinfachung der Erbauseinandersetzung; |
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Einräumung einer bevorzugten Verwaltungsstellung für einen von mehreren Miterben; |
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Schutz vor dem Vollstreckungszugriff der Eigengläubiger des Erben (§ 2214 BGB) sowie dem (ggf. indirekten) Zugriff von Sozialhilfeträger oder Arbeitsagentur. |
2. Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers
Rz. 128
Nach der mittlerweile h.M. ist der Testamentsvollstrecker Träger und Inhaber eines dem Privatrecht zugehörigen Amtes, nicht also eines öffentlichen Amtes. Der Testamentsvollstrecker handelt zwar aus eigenem Recht und in eigenem Namen, unabhängig von den Erben, aber nicht mit Wirkung für seine Person, sondern im Interesse und für die Person des Erben. Der Testamentsvollstrecker ist weder Vertreter des Nachlasses, da dieser keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, noch der Nachlassgläubiger, da er nicht von ihnen bestellt ist und auch nicht vornehmlich deren Interesse zu vertreten hat. Er übt das ihm zugewiesene Amt aus eigenem Recht gemäß dem letzten Willen des Erblassers und dem Gesetz selbstständig aus.
3. Arten der Testamentsvollstreckung
a) Abwicklungsvollstreckung
Rz. 129
Sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, hat der Testamentsvollstrecker die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2303 BGB) und bei Erbenmehrheit den Nachlass auseinanderzusetzen (§ 2204 BGB). Diese Art der Vollstreckung stellt den Regelfall der Testamentsvollstreckung dar. Die Auseinandersetzung unter den Miterben hat der Testamentsvollstrecker alsbald zu bewirken, sofern der Erblasser die Auseinandersetzung nicht nach § 2044 BGB ausgeschlossen hat. Die Auseinandersetzung hat nach den gesetzlichen Vorschriften (§§ 752, 753, 754, 755 ff., §§ 2204, 2042, 2046 ff., 2050 ff. BGB) zwischen den Miterben zu erfolgen; bewegliche Sachen nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, Grundstücke durch Teilungsversteigerung. Regelmäßig entspricht dies aber nicht dem Willen des Erblassers, weswegen sich die zusätzliche Anordnung empfiehlt, dass die Auseinandersetzung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker nach seinem billigen Ermessen erfolgen soll. Außerdem hat der Testamentsvollstrecker die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen.
b) Schlichte Verwaltungsvollstreckung
Rz. 130
Hinsichtlich der schlichten Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 S. 1 Hs. 1 BGB ist dem Testamentsvollstrecker die bloße Verwaltung des Nachlasses übertragen, ohne dass dem Testamentsvollstrecker weitere Aufgaben zugewiesen sind. Sie muss ausdrücklich angeordnet oder festgestellt werden, da andernfalls aufgrund von § 2203 BGB von einer Abwicklungsvollstreckung auszugehen ist. Anwendungsfälle sind insb.
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Verwaltung des Nachlasses bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Erben; |
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Verhinderung des Zugriffs von Eigengläubigern des Erben auf den Nachlass (§ 2214 BGB); |
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Verwaltung des Nachlasses eines behinderten Erben; |
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Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht (§ 2338 Abs. 1 S. 2 BGB). |
c) Dauertestamentsvollstreckung
Rz. 131
Die Dauertestamentsvollstreckung gem. § 2209 S. 1 Hs. 2 BGB ist eine Kombination aus Abwicklungs- und Verwaltungsvollstreckung. Sie beinhaltet die Anordnung des Erblassers, dass der Testamentsvollstrecker nach der Erledigung der ihm sonst zugewiesenen Aufgaben, die Verwaltung des Nachlasses fortzuführen hat, also Abwicklungs- und Verwaltungsvollstreckung zeitlich aneinander gefügt werden. Bei Vorhandensein mehrerer Erben führt die Dauertestamentsvollstreckung folglich zur Aufschiebung der Auseinandersetzung. Die Verwaltung dauert fort bis zu dem vom Erblasser festgesetzten Zeitpunkt bzw. bis zur zeitlichen 30-Jahresgrenze nach § 2210 S. 1 BGB. Nach § 2210 S. 2 BGB kann der Erblasser sogar anordnen, dass die Verwaltung bis zum Tode des Erben oder des Testamentsvollstreckers oder bis zum Eintritt eines anderen Ereignisses in der Person des einen oder anderen fortdauern soll.
d) Vermächtnisvollstreckung
Rz. 132
Während § 2218 BGB nach seinem Wortlaut nur das Rechtsverhältnis zwischen Erben und Testamentsvollstrecker regelt, eröffnet § 2223 BGB zusätzlich ...