Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
A. Allgemeines
I. Vorsorgeplanung
Rz. 1
In den nächsten Jahren werden in Deutschland zwischen ein bis zwei Bill. Euro vererbt. Nicht einmal in der Hälfte aller Erbfälle liegt jedoch eine letztwillige Verfügung vor. In den übrigen Todesfällen tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Die gesetzliche Erbfolge entspricht aber in den meisten Fällen nicht den Wünschen der Beteiligten, insb. nicht im Fall von Ehegatten. Der Todesfall bringt neben dem persönlichen Verlust eine Vielzahl rechtlicher und steuerlicher Probleme mit sich. Eine vernünftige und umfassende Vorsorgeplanung sollte deshalb unbedingt vorhanden sein. Zur Absicherung der Vermögensnachfolge dient insb. die Verfügung von Todes wegen.
II. Ermittlung der Ausgangslage
Rz. 2
Die Erarbeitung einer letztwilligen Verfügung setzt zwingend eine detaillierte Kenntnis des Sachverhalts durch den Berater voraus. Der Berater kann bei Erfassung des Sachverhalts gar nicht penibel und kleinlich genug vorgehen. Nur die exakte Kenntnis des Sachverhalts garantiert letztendlich eine erfolgreiche Mandatsführung. Die Ermittlung der Ausgangslage wird i.d.R. einen Großteil des Zeitaufwandes des Mandats beanspruchen. Der Berater sollte sich hierzu sämtliche notwendigen Dokumente vorlegen lassen oder selbst beiziehen.
Praxishinweis
Aus haftungsrechtlichen Erwägungen sollte dem Mandanten vor Gestaltung der Verfügung von Todes wegen der ermittelte Sachverhalt nochmals schriftlich überlassen werden mit der Bitte um Durchsicht und ggf. Korrektur. So kann später nachvollzogen werden, von welchen Voraussetzungen der Berater bei Erstellung der Verfügung von Todes wegen ausgehen durfte.
Im Wesentlichen untergliedert sich die Sachverhaltsdarstellung in drei Bereiche:
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persönliche Verhältnisse |
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wirtschaftliche Verhältnisse |
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Wünsche und Absichten des Erblassers. |
1. Persönliche Verhältnisse
Rz. 3
Bei der Personenerfassung wird es zunächst in jedem Fall ratsam sein, einen Familienstammbaum des Mandanten zu erstellen. Der Stammbaum versetzt den Berater in jeder Phase des Mandats in die Lage, einen schnellen Überblick über die am Verfahren Beteiligten zu gewinnen. Außerdem können aus dem Stammbaum heraus sehr schnell die Erb- und Pflichtteilsquoten der Beteiligten ermittelt werden.
Rz. 4
Hinsichtlich der Daten des Erblassers sollten im Testament wenigstens Name, Vorname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort und der derzeitige Wohnsitz angegeben werden. Gleiches empfiehlt sich auch für die übrigen Beteiligten, egal ob diese Erben, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte sind.
Rz. 5
Daneben sind auch die Güterstände festzustellen, da diese aus zivilrechtlicher Sicht erheblichen Einfluss auf die Höhe der Erbquoten haben und auch im Erbschaftsteuerrecht zu berücksichtigen sind (§ 5 ErbStG).
Rz. 6
Bei Feststellung der Güterstände gilt es zu bedenken, dass die Ehegatten, die am 31.3.1953 im damaligen gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes gelebt haben, in den neuen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft transferiert wurden, es sei denn, dass bis zum 30.6.1958 von einem der Ehegatten gegenüber dem Amtsgericht erklärt wurde, dass für die Ehe weiter Gütertrennung gelten soll. Einer Zustimmung des anderen Ehegatten war hierzu nicht erforderlich.
Rz. 7
Ferner ist freilich auch die Frage der Staatsangehörigkeit zu klären. Zwar richtet sich das anzuwendende Erbrecht aus deutscher Sicht gem. der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) grundsätzlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 21 EuErbVO). Die Staatsangehörigkeit kann aber die Möglichkeit einer Rechtswahlklausel eröffnen (Art. 22 EuErbVO) bzw. aus Sicht des anderen Staates für das dort belegene Vermögen ausschlaggebend sein.
Rz. 8
Näheres hierzu in Rdn 181 ff. und Rdn 9 bzw. § 31 Rdn 1 ff.
Rz. 9
Die EuErbVO gilt seit dem 17.8.2015. Sie regelt u.a. die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Dokumenten auf dem Gebiet des Erbrechts und führte den europäischen Erbschein ein. Die Verordnung gilt in allen EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland (und Großbritannien). Sie ist auf alle Erbfälle anwendbar, die seit dem 17.8.2015 eintreten (Art. 83, 84 EuErbVO).
Rz. 10
Eine wichtige Änderung für das deutsche internationale Erbrecht ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verordnung die Anknüpfung des Erbstatuts am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers festmacht (Art. 21 EuErbVO) und nicht mehr an der Staatsangehörigkeit (Art. 25 Abs. 1 EGBGB aF). Hieraus resultiert das Problem, dass sich das anzuwendende Recht im Laufe der Jahre immer wieder ändern kann, ohne dass dies durch den zukünftigen Erblasser erkennbar ist.
Hat also beispielsweise der Erblasser seine letzten Monate auf Mallorca verbracht ("Mallorca-Rentner") und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, gilt das spanische Erbrecht. Umgekehrt kann ein Ausländer nach deutschem Erbrecht beerbt werden, wenn er mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstirbt.
Praxishinweis
Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit, durch eine ausdrückliche Erk...