Gundolf Rüge, Dr. iur. Marcus Hartmann
Rz. 45
Nach § 89 Abs. 1 WHG muss Schadensersatz leisten, wer auf ein Gewässer durch Einbringen oder Einleiten von Stoffen oder in anderer Weise so einwirkt, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig verändert wird; die Vorschrift begründet die Haftung für die Vornahme bestimmter auf ein Gewässer gerichteter Handlungen. Diese Vorschrift enthält einen Gefährdungstatbestand, der nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes vom Verschulden unabhängig ist, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Einleitung schädlicher Stoffe vorsätzlich, wissentlich oder fahrlässig, also mit oder ohne vorwerfbare Kenntnis oder Duldung des Einwirkenden erfolgt. Streitig ist, ob Rechtswidrigkeit vorausgesetzt wird oder ob dies – dem Charakter der Gefährdungshaftung entsprechend – richtigerweise nicht der Fall ist. § 89 Abs. 1 WHG als unmittelbare Anspruchsgrundlage hat mithin folgende Voraussetzungen: Das Einwirken auf ein Gewässer mittels Einleitung oder Einbringung von Stoffen oder in anderer Weise, das die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert und dadurch einen Schaden verursacht.
Rz. 46
Jede dieser drei Varianten von Einwirkungshandlungen setzt ein auf die Gewässerbenutzung zweckgerichtetes Verhalten voraus, das über die bloße Verursachung des Hineingelangens schädlicher Stoffe in das Gewässer hinausgeht. Ein haftungsbegründendes Handeln nach § 89 Abs. 1 WHG liegt somit erst bei einem aktiven Tun (zur Haftung bei Unterlassen siehe Rdn 47) vor, das nach seiner objektiven Eignung darauf abzielt, dass Stoffe in oberirdische Gewässer oder in das Grundwasser gelangen, wobei ein funktioneller Zusammenhang mit einer Gewässerbenutzung vorliegen muss. Dies ist regelmäßig nur der Fall bei Handlungen, die unmittelbar auf ein Gewässer einwirken, nicht auch bei solchen, die lediglich mittelbar die Beschaffenheit des Wassers beeinflussen. Verlangt wird eine unmittelbare, ihrem Wesen nach zweckbestimmte Zuführung schädlicher Stoffe in das Gewässer. Einem derart zweckgerichteten Einleiten steht nicht entgegen, dass Stoffe erst über andere Wasser oder Anlagen einem Gewässer zugeführt werden. Nur bloßes oder zufälliges Hineingelangen von Stoffen in Gewässer begründet deshalb keine Haftung nach § 89 Abs. 1 WHG. Trotz des Merkmals der Zielgerichtetheit erfordert diese Haftung – weil reine Gefährdungshaftung – keinen Vorsatz oder Fahrlässigkeit; die Handlung braucht auch nicht auf die Veränderung der Beschaffenheit oder gar auf das Ergebnis der Verunreinigung gerichtet sein. Es reicht aus, dass die an sich zweckgerichtete Einwirkungshandlung nach ihrer objektiven Eignung auf das Hineingelangen gerichtet ist, ohne dass diese Folge oder gar die Schädigung beabsichtigt sein muss.
Rz. 47
Ein Unterlassen begründet die Haftung nach § 89 Abs. 1 WHG, wenn der Unterlassende etwas nicht getan hat, was er zur Abwehr eines Schadens infolge Einleitens oder Einbringens von Stoffen oder sonstigen Einwirkens auf ein Gewässer hätte tun können und für ihn eine Rechtspflicht zu diesem Handeln bestand. Allerdings begründet das WHG keine Pflicht, wonach derjenige, der die Gefahr einer schädlichen Gewässerverunreinigung verursacht hat, zu ihrer Beseitigung verpflichtet ist.
Rz. 48
Der Begriff Stoff ist im WHG nicht definiert. Entsprechend der Definition in § 3 S. 1 Nr. 1 Chemikaliengesetz sind Stoffe chemische Elemente oder chemische Verbindungen von gewisser Dauerhaftigkeit.
Mit Einwirken auf ein Gewässer in die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändernder Weise beschreibt § 89 Abs. 1 WHG das haftungsbegründende Handeln. Diese Einwirkung kann in drei Formen geschehen: durch Einleiten oder Einbringen von Stoffen in ein Gewässer oder durch Einwirken in anderer Weise. Jede Einwirkungsform erfordert ein unmittelbar auf die Gewässerbenutzung zweckgerichtetes Handeln; die bloße Verursachung des Hineingelangens genügt nicht. Alle drei Einwirkungsformen müssen die Gewässerbeschaffenheit nachteilig verändert haben, wie sich nun aus der darstellenden Fassung der Norm (gegenüber § 22 Abs. 1 WHG, bei dem dieses Verständnis schon vorherrschte) ergibt.
Rz. 49
Einleiten von Stoffen ist die Zuführung flüssiger Stoffe oder gasförmiger Stoffe in ein Gewässer. Auch Abwasser und flüssige Abfälle zählen darunter. Ein haftungsbegründendes Einleiten ist etwa anzunehmen, wenn der Betreiber einer Kanalisation schädliches Abwasser in ein Gewässer einleitet, mag die Schadhaftigkeit auch auf rechtswidrig in die Kanalisation eingeleiteten schädlichen Stoffen beruhen, denn mit dem Sammeln von Abwässern schafft der Kanalbetreiber eine neue Gefahrenlage. Für den Betreiber einer Kläranlage gilt insoweit einschränkend, dass dieser nicht haftet, wenn das Klärwerk ordnungsgemäß seine Aufgabe erfüllt und dem Gewässer nicht neuerdings Schadstoffe zugeführt werden oder das Wasser nicht in anderer Beziehung verschlechtert wird.
Rz. 50
Einbringen von Stoffen ist die Zuführ...