Gundolf Rüge, Dr. iur. Marcus Hartmann
Rz. 37
Vor der Geltung des WHG bestimmten allenfalls Art. 37 des früheren BayWG und § 24 PrWG eine Einstandspflicht für die unerlaubte Gewässerverunreinigung. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist in seiner Ursprungsfassung vom 27.7.1957 gemäß des Änderungsgesetzes vom 19.2.1959 am 1.3.1960 in Kraft getreten.
§ 22 WHG – Haftung für die Beschaffenheit des Wassers – blieb seit der ursprünglichen Fassung bis 28.2.2010 stets unverändert. Mit dem Wasserrechtsneuordnungsgesetz vom 31.7.2009 wurde § 22 ab 1.3.2010 zu § 89 WHG.
Rz. 38
Inhaltlich entfiel mit § 89 WHG der Abs. 3 des bisherigen § 22, der unter Verweis auf § 10 Abs. 2 WHG a.F. einen Entschädigungsanspruch für den Fall gewährte, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 11 WHG a.F. wegen erteilter Bewilligung ausgeschlossen war. Die bisher in § 22 Abs. 2 geregelte Anlagenhaftung trifft nun anstelle des Inhabers den Betreiber einer Anlage. Im Ergebnis folgt hieraus keine inhaltliche Änderung, da sich die Begriffe des Inhabers und des Betreibers im Wesentlichen decken.
Rz. 39
§ 22 WHG hatte die Haftung ausgedehnt und verschärft, weil die bisherigen Haftungsgrundsätze bei der ständig zunehmenden Gewässerverunreinigung zum Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen nicht mehr ausreichten. § 89 WHG regelt wie seine Vorgängervorschrift einen Tatbestand der Gefährdungshaftung. Dem entspricht der Zweck dieser Norm, den besonderen Gefahren der Gewässerverunreinigung zu begegnen, gegen die der gefährdete Einzelne sonst keine entsprechenden Abwehrmöglichkeiten hat. Sie bezweckt mithin einen umfassenden Gewässerschutz und regelt eine verschuldensunabhängige Haftung für schädliche Veränderungen der Beschaffenheit des Wassers. Die Haftungstatbestände nach § 89 WHG schließen aber – ihrer Zielrichtung nach Verstärkung des Schutzes gegen Beeinträchtigungen der Wasserbeschaffenheit gemäß – weder Ansprüche aus Delikt noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus.
Rz. 40
Für Übergangsfälle gilt: Wurde der Schaden bis zum 28.2.2010 verursacht, ist er aber erst danach eingetreten, so gilt § 22 WHG a.F. Dauert die Setzung der Schadensursache, die bis zum 28.2.2010 begonnen wurde, nach Inkrafttreten des § 89 WHG an, so beurteilt sich die Haftung nach § 89 WHG, wenn die danach geleisteten Kausalbeiträge an sich geeignet sind, den geltend gemachten Schaden zu verursachen. Die Einschränkung der Haftung nach § 89 WHG durch Landesrecht ist gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 WHG nicht zulässig.
Rz. 41
§ 89 WHG gilt für alle Gewässer im Sinne des § 2 Abs. 1 WHG und deren Teile, nämlich
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das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (§ 3 Nr. 1 WHG; oberirdische Gewässer), |
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das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres (§ 3 Nr. 2 WHG; Küstengewässer), |
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das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht (§ 3 Nr. 3 WHG; Grundwasser). |
Rz. 42
Der Gewässerbegriff der Norm erfasst neben natürlich entstandenen Gewässern wie Flüssen, Seen und Meeren auch durch menschliche Arbeit entstandene Gewässer wie Gräben, Kanäle, Teiche, Stauseen oder ähnliches. Für oberirdische Gewässer muss in der Erdoberfläche eine Vertiefung vorhanden sein, in der Wasser nach den Gesetzen der Schwerkraft stehen bleibt (Wassergrundstück). Die Erdvertiefung muss aber bestimmungsgemäß zur Aufnahme von Wasser von Natur aus oder aufgrund menschlicher Bestimmung geschaffen sein. Nach allgemeiner Auffassung gilt Wasser nur dann als Gewässer, wenn es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist, also ein natürlicher Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt besteht. Deshalb wird Wasser und Abwasser in Leitungen und sonstigen Behältnissen nicht von diesem Gewässerbegriff umfasst, da es keinen Anteil an derartigen Wasserfunktionen hat. Wasser in Kanalisations- und Wasserversorgungsleitungen unterliegt deshalb nicht der Haftung nach § 89 WHG, solange es sich in diesen befindet; gleiches gilt für eine Kläranlage. Das Gewässer muss nicht ständig in seinem Bett fließen oder stehen. Es verliert nicht dadurch seine Identität, dass der Wasserfluss vorübergehend vollständig unterbrochen wird oder das Gewässer teilweise durch Rohre geführt wird.
Rz. 43
Keine Gewässer sind Regentonnen, Badewannen, Schwimmbecken, Pfützen auf der Straße sowie Wasserversorgungsanlagen wie Leitungen, Behälter oder Becken, deren Reinhaltung sich in der Regel durch entsprechende Vorrichtungen gewährleisten lässt. Auf die in § 3 Nr. 2a WHG definierten Meeresgewässer findet § 89 WHG aufgrund § 2 Abs. 1a WHG keine Anwendung.
Rz. 44
§ 89 WHG umfasst zwei systematisch selbstständig nebeneinander stehende und voneinander unabhängige Haftungstatbestände: einerseits die Haftung für Schäden durch Einwirken auf ein Gewässer durch Einleiten oder Einbringen von Stoffen in ein Gewäss...