Gundolf Rüge, Dr. iur. Marcus Hartmann
Rz. 68
Für Schäden nach § 89 Abs. 1 WHG (Verhaltenshaftung) haftet der Handelnde, das heißt derjenige, der auf ein Gewässer durch Einleitung oder Einbringung von Stoffen oder in sonstiger Weise nachteilig eingewirkt hat, oder der Unterlassende, der eine nach den Umständen des Einzelfalles zur Abwehr eines Schadens durch Einleiten oder Einbringen von Stoffen mögliche und gebotene Handlung unterlassen hat. Die Haftung betrifft im Falle des mittelbaren Einleitens im Allgemeinen denjenigen, der die tatsächliche Sachherrschaft wie auch die rechtliche Verfügungsmacht über diese Vorgänge hat. Mehrere Handelnde haften nach § 89 Abs. 1 S. 2 WHG als Gesamtschuldner. Die Rechtsprechung gewährt dem Geschädigten eine Beweiserleichterung: Kommen mehrere schädigende Einwirkungshandlungen in Betracht, die jeweils ihrer Art und den Umständen ihrer Einwirkung nach, etwa nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen, geeignet sind, die nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit verursacht zu haben, so ersetzt die nachgewiesene Eignung der einzelnen Einwirkungen den vollen Kausalitätsnachweis dafür, welche der jeweiligen Einwirkungen tatsächlich ursächlich für den eingetretenen Schaden war. Entsprechendes gilt über den Verweis in § 89 Abs. 2 Satz 2 WHG für die Anlagenhaftung: Sofern aus mehreren Anlagen wassergefährdende Stoffe in ein Gewässer gelangen, haften die Betreiber der mehreren Anlagen für einen entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. Kommen aber auch andere, nicht eine Haftung nach § 89 WHG begründende Umstände als Schadensursache in Betracht, so müssen diese vom Anspruchsteller als Schadensursache ausgeschlossen werden, ehe für ihn die Beweiserleichterung eingreifen kann.
Rz. 69
Die Haftung juristischer Personen für das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter bestimmt sich nach den §§ 31, 89 BGB (vgl. § 2 Rdn 641 ff.). Der Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters ist nicht zu eng auszulegen; es genügt, dass jemandem durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Daneben haftet das Organmitglied als Handelnder persönlich für den Schaden, den es durch eine in Ausführung seiner satzungsgemäßen Aufgaben selbst begangene haftungsbegründende Einwirkungshandlung nach § 89 Abs. 1 WHG einem Dritten zugefügt hat, etwa wenn das Organmitglied als Handelnder die Einleitung von Abwässern veranlasst oder nicht verhindert hat, obwohl dies in seiner Macht und Pflicht gelegen hätte.
Rz. 70
Die Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen richtet sich nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (zu Einzelheiten vgl. § 2 Rdn 641 ff.). Verrichtungsgehilfe ist jeder, dem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden und er dabei von Weisungen des anderen abhängig ist. Die Gehilfenhaftung nach § 831 BGB passt indes nicht auf die Gefährdungshaftung nach § 89 Abs. 1 WHG, weil § 831 Abs. 1 BGB für die Haftung des Geschäftsherrn die Rechtswidrigkeit des Handelns des Verrichtungsgehilfen voraussetzt, während § 89 Abs. 1 WHG einen rein handlungsbezogenen, von Rechtswidrigkeit unabhängigen Gefährdungshaftungstatbestand verkörpert. Liegt jedoch rechtswidriges Handeln des Verrichtungsgehilfen vor, ist die Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB begründet, es sei denn, er kann sich nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten.
Rz. 71
Im Übrigen dürfte der Geschäftsherr regelmäßig für gewässerschädigende Einwirkungen seiner Leute im Sinne des § 89 Abs. 1 WHG deshalb haften, weil und soweit er den Einwirkungsvorgang durch Anweisungen oder Anweisungsmacht beherrscht und ihm deshalb die schädigende Handlung unmittelbar persönlich zuzurechnen ist. Wer jedoch einem selbstständigen Unternehmen der Abfallbeseitigung Industrieabfälle zur schadlosen Vernichtung überlässt, haftet mangels dessen Weisungsabhängigkeit nicht nach § 89 WHG i.V.m. § 831 BGB für Grundwasserverunreinigungen infolge unsachgemäßer Maßnahmen jenes Unternehmens bei der Abfallbeseitigung.
Rz. 72
Für Schäden nach § 89 Abs. 2 WHG (Anlagenhaftung) haftet der Betreiber der Anlage nach S. 1, aus der Wasser gefährdende Stoffe in ein Gewässer gelangt sind. Bis zum Inkrafttreten der Neufassung des Wassergesetzes am 1.3.2010 traf die Anlagenhaftung gemäß § 22 Abs. 2 WHG den Inhaber der Anlage. Hierdurch hat sich im Ergebnis nichts geändert, weil sich der Begriff des Anlageninhabers mit demjenigen des Anlagenbetreibers im Wesentlichen deckt.
Rz. 73
Betreiber der Anlage ist derjenige, der bestimmenden bzw. maßgeblichen Einfluss auf die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage hat. Das ist regelmäßig, wer die Anlage in Gebrauch hat und die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Als Betreiber erscheint ...