Gundolf Rüge, Dr. iur. Marcus Hartmann
Rz. 20
Die Ersatzpflicht wegen Umwelteinwirkungen ist ausgeschlossen, soweit der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde (§ 4 UmweltHG). Diese Regelung entspricht § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 3 Nr. 3 HaftpflG sowie § 89 Abs. 2 S. 3 WHG. Höhere Gewalt ist nach ständiger Rechtsprechung zum Haftpflichtgesetz und zum früheren § 22 WHG ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann, z.B. Naturkatastrophen, Attentate oder Kriegshandlungen. Dieses Begriffsverständnis liegt auch dem UmweltHG zugrunde. Die höhere Gewalt ist daher durch die Merkmale betriebsfremd, außergewöhnlich, unvorhersehbar und unabwendbar gekennzeichnet.
Rz. 21
Die Haftung ist ferner bei bestimmungsgemäßem Betrieb (Normalbetrieb; § 6 Abs. 2 S. 2 UmweltHG) der Anlage für Bagatellschäden an Sachen ausgeschlossen: Gemäß § 5 UmweltHG ist die Ersatzpflicht für Sachschäden ausgeschlossen, wenn die Sache nur unwesentlich oder in einem Maße beeinträchtigt wird, das nach den örtlichen Verhältnissen zumutbar ist. Diese Vorschrift ist § 906 BGB entlehnt. Für die Beurteilung, ob die Sache nur unwesentlich oder ortsüblich beeinträchtigt worden ist, bildet deshalb § 906 BGB und die dazu ergangene Rechtsprechung den Maßstab.
Rz. 22
Die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung bestimmt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers eines Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten Beschaffenheit. Gleiches trifft auf bewegliche Sachen zu. Die Beeinträchtigung ist nach § 906 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB in der Regel unwesentlich, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 BImSchG erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. Die Beeinträchtigung ist zudem in der Regel unwesentlich, wenn die Höhe des Schadens einen bestimmten Betrag nicht überschreitet (Bagatellschwelle). Typische Alltagsereignisse mit geringem Beseitigungsaufwand wie zum Beispiel einmalig rußverschmutzte Wäsche auf der Leine, die wegen einer Immission noch einmal gewaschen werden muss, dürften regelmäßig als unwesentliche Beeinträchtigungen anzusehen sein. Zwar verbietet sich die schematische Festlegung bestimmter Grenzwerte. Ein Bagatellschaden wird jedoch regelmäßig bei Schadensbeseitigungsaufwendungen von unter 50 EUR vorliegen.
Rz. 23
Die Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung ist bei Grundstücken nach den tatsächlichen regionalen Verhältnissen zu bestimmen. Sie ist schon dann zu bejahen, wenn in der maßgeblichen Region eine Mehrheit von Grundstücken nach Art und Maß annähernd gleich beeinträchtigt ist. Für bewegliche Sachen sind diese Grundsätze entsprechend anzuwenden. Denn § 5 UmweltHG unterscheidet nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen bzw. Tieren. Befinden sich bewegliche Sachen an bestimmten Orten, nehmen sie gewissermaßen am "Gebietsrisiko" teil. Die Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung dieser Sachen entspricht mithin der Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung der Grundstücke, auf denen sie sich befinden. Für die Zumutbarkeit ist eine Interessenabwägung zwischen den Kosten möglicher und zumutbarer Schutzvorkehrungen beim Betrieb der Anlage und den Nutzungseinbußen beim Geschädigten erforderlich. Die Beweislast für die Unwesentlichkeit oder Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung trägt der Anlageninhaber, weil es sich um einen Ausschlusstatbestand der Haftung handelt.
Rz. 24
Ein weiterer Haftungsausschluss gilt für Anlageninhaber, für deren Beschäftigte der Eintritt eines Personenschadens infolge einer Umwelteinwirkung gemäß § 1 UmweltHG einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII darstellt. In diesem Fall ist die Haftung des Inhabers als Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen (Haftungsprivileg des Unternehmers; vgl. dazu im Einzelnen § 38). Für die hierauf beruhenden Personenschäden von Beschäftigten, deren Angehörigen und Hinterbliebenen tritt im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung der Unfallversicherungsträger ein. Dieser Haftungsausschluss gilt auch für Schmerzensgeldansprüche wie auch für den Entschädigungsanspruch für Hinterbliebene gemäß § 12 Abs. 3 UmweltHG. Bei der Umwelthaftung des Unternehmers als Anlageninhaber verbleibt es jedoch, wenn er den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat oder der Beschäftigte den Schaden auf einem nach § 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall) erlitten hat (vgl. § 38 Rdn 84 ff.).