Rz. 27

Die Eheleute können auch vollständig oder teilweise den Ausgleich bei der Scheidung ausschließen und den Ausgleich dem Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 bis 24 VersAusglG) vorbehalten. Sinnvoll wird das aber nur in Ausnahmefällen sein, weil regelmäßig ein Interesse besteht, die Angelegenheiten abschließend schon bei der Scheidung zu regeln. Außerdem ist die Rechtstellung des Ausgleichsberechtigten beim Ausgleich nach der Scheidung viel schwächer ist als beim Ausgleich bei der Scheidung, weil er grds. keine eigenständige Absicherung erhält, sondern nur einen unterhaltsähnlichen Anspruch gegen den Ausgleichspflichtigen (siehe unten § 9 Rdn 1 ff., 73 ff.).

 

Rz. 28

 

Praxistipp

In Betracht kommt eine derartige Vereinbarung v.a. dann, wenn bei der Scheidung bereits abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich nur kurz in Anspruch nehmen können wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Ausgleichsberechtigte schwer erkrankt ist, sodass mit seinem Tod in naher Zukunft zu rechnen ist. Durch die Verweisung in den schuldrechtlichen Ausgleich wird in diesen Fällen sichergestellt, dass der Berechtigte die Leistungen genießen kann, solange er ihrer bedarf. Auf der anderen Seite behält der Ausgleichspflichtige aber das volle "Stammrecht", ohne dass ihm von diesem ein Teil weggenommen werden würde. Er muss lediglich den ihm nicht (endgültig) zustehenden Ausgleichsbetrag an den Ausgleichsberechtigten weiterleiten. Sobald dieser aber verstorben ist, hat der Ausgleichspflichtige die aus dem auszugleichenden Anrecht fließenden Leistungen wieder vollständig für sich selbst. Er vermeidet durch diese Lösung ggf. den vollständigen weiteren Verlust dieser Anrechte, der etwa eintreten würde, wenn das auszugleichende Anrecht eines ist, das nicht aus einem der Regelalterssicherungssysteme fließt (vgl. § 32 VersAusglG), sodass eine Anpassung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht in Betracht käme. Zu beachten ist, dass diese Lösung nur funktioniert, wenn beide Ehegatten bereits die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung erfüllen, denn die schuldrechtliche Ausgleichsrente wird nur gezahlt, wenn der Ausgleichspflichtige bereits Leistungen aus dem auszugleichenden Anrecht bezieht und der andere Ehegatte die Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt.

 

Rz. 29

 

Beispiel

Als es zur Ehescheidung kommt, ist M schwer erkrankt, seine Frau F ist dagegen noch jung und gesund. Sie hat in der Ehezeit schon erhebliche Anrechte aus betrieblichen und privaten Anrechten erworben. Sie muss daher befürchten, dass nach dem Tod von M die ihm übertragenen Anrechte endgültig verloren sein werden, weil die Entscheidung insofern nicht angepasst werden kann (vgl. § 32 VersAusglG), weil sie nicht Anrechte aus den Regelalterssicherungssystemen betrifft. Sie muss dieses Ergebnis auf jeden Fall verhindern. Dazu kann sie zusammen mit M den Versorgungsausgleich (insgesamt oder bezogen auf diese Anrechte) ausschließen oder aber mit ihm vereinbaren, dass die privaten und betrieblichen Anrechte in den schuldrechtlichen Ausgleich verwiesen werden. Sollte es noch dazu kommen, dass M den Rentenbezugsbeginn von F (und seinen eigenen) erlebt, dann muss sie die in den schuldrechtlichen Ausgleich verwiesenen Anrechte durch Zahlung einer Ausgleichsrente (§ 20 VersAusglG) oder durch die Abtretung von Leistungsansprüchen gegen den Versorgungsträge (§ 21 VersAusglG) ausgleichen. Sobald M aber stirbt, endet die Verpflichtung zur Rentenzahlung bzw. verliert die Abtretung wieder ihre Wirkung. F steht dann also der volle Rentenbetrag wieder für sich selbst zur Verfügung.

 

Rz. 30

Entsprechendes gilt, wenn der Ausgleichsberechtigte die Leistungen aus dem auszugleichenden Anrecht so lange beziehen würde, dass eine Anpassung nach § 37 VersAusglG nicht in Betracht käme.

 

Rz. 31

 

Beispiel

M ist deutlich älter als seine Frau F, aber nicht so alt, dass sein Tod unmittelbar bevorstünde. F verlöre durch den Ausgleich bei der Scheidung Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung in erheblicher Höhe. Sie muss angesichts der Lebensdaten von M damit rechnen, dass dieser deutlich vor ihr sterben wird, aber durchaus nach längerem eigenen Rentenbezug. Überschreitet die Rentenbezugsdauer von M die in § 37 VersAusglG vorgesehene 3-Jahresgrenze, sind nach seinem Tod die Rentenanrechte, die ihm zulasten von F übertragen wurden, endgültig verloren. In ihrem Interesse läge es deswegen, den Ausgleich bei der Scheidung durch einen Ausgleich nach der Scheidung zu ersetzen.

 

Rz. 32

Zu beachten ist aber, dass die Verweisung von Anrechten in den schuldrechtlichen Ausgleich für den Ausgleichsberechtigten extrem gefährlich ist: Der Anspruch des Berechtigten richtet sich in diesen Fällen ausschließlich gegen den Ausgleichspflichtigen. Mit dem Tod des Ausgleichspflichtigen endet er. Ein Anspruch gegen den Versorgungsträger auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung (in früherer Terminologie auf den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich) ...

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