Rz. 57

In Betracht kommen kann gerade auch die Vereinbarung, dass Anrechte durch eine Kompensationslösung ausgeglichen werden sollen, sodass ein an sich erforderlicher Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG) dann unterbleiben kann.[39] Gemeint ist eine Verrechnungslösung: jeder Ehegatte behält seine Anrechte ganz oder teilweise, um Verluste bzw. negative Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf seine eigene Versorgung zu vermeiden. Zu Kompensationslösungen zur Vermeidung des externen Ausgleichs bei Beamtenversorgungen siehe Rdn 71 ff.

 

Rz. 58

Eine derartige Lösung wird sich v.a. anbieten, wenn ausländische Anrechte auszugleichen sind. Derartige Anrechte können bei der Scheidung nicht geteilt werden, weil sie nicht ausgleichsreif sind (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG). Sie bleiben deswegen zunächst unausgeglichen und können nur im Ausgleich nach der Scheidung ausgeglichen werden (§ 19 Abs. 4 Vers­AusglG). Die Stellung des Ausgleichsberechtigten ist also relativ schwach (siehe unten § 9 Rdn 1 ff.). Umgekehrt hat auch der in Bezug auf die ausländischen Anrechte Ausgleichspflichtige oft ein Interesse daran, dass der Ausgleich schon bei der Scheidung erfolgt und nicht in den schuldrechtlichen Ausgleich verschoben wird: Nach § 19 Abs. 3 VersAusglG werden zum Schutz desjenigen, der in Bezug auf die ausländischen Anrechte ausgleichsberechtigt ist, von dessen Anrechten, die an sich im Ausgleich bei der Scheidung auszugleichen wären, Anrechte aus dem öffentlich-rechtlichen Ausgleich ausgeschlossen (und in den Ausgleich nach der Scheidung verwiesen), soweit der Ausgleich bei der Scheidung für den anderen Ehegatten unbillig wäre.

 

Rz. 59

 

Beispiel

M hat während der Ehezeit (bis 2.6.2016) neben Anrechten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Ehezeitanteil i.H.v. 13,1233 Entgeltpunkten = 400 EUR) aus einer Tätigkeit im Ausland einen Ehezeitanteil in der französischen Rentenversicherung i.H.v. 500 EUR erworben. Seine Frau F hat ausschließlich Anrechte in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Ehezeitanteil i.H.v. 19,6850 Entgeltpunkten = 600 EUR). In diesem Fall ist der Ausgleich der Anrechte im Wege des Ausgleichs bei der Scheidung in doppelter Hinsicht eingeschränkt: Zwar können die Anrechte von M in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ohne weiteres geteilt werden (vgl. § 10 VersAusglG). Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG können aber die Anrechte in der französischen Rentenversicherung bei der Scheidung nicht ausgeglichen werden, weil sie nicht ausgleichsreif sind (zu Einzelheiten siehe unten § 8 Rdn 117 ff.). Aus diesem Grund sind jedenfalls auch die an sich bei der Scheidung auszugleichenden Anrechte von F in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung insoweit als nicht ausgleichsreif zu behandeln, soweit der Ausgleich für sie unbillig wäre (§ 19 Abs. 3 Vers­AusglG). Das bedeutet, dass an sich diese Anrechte (sowohl die ausländischen Anrechte von M als auch die zur Vermeidung der Unbilligkeit aufseiten von F aus dem Ausgleich bei der Scheidung ausgenommenen Anrechte) nur im Wege des Ausgleichs nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG) ausgeglichen werden können.[40] Das ist für beide Beteiligten nachteilig, weil der Ausgleich erst im Versorgungsfall stattfinden kann (vgl. § 20 Abs. 1, 2 VersAusglG), also bei der Scheidung noch kein "clean break" erreicht werden kann.

 

Rz. 60

Eine Kompensationslösung bedeutet in den Fällen des § 19 VersAusglG, dass zum Ausgleich der an sich schuldrechtlich auszugleichenden Ehezeitanteile solche Anrechte bei dem in Bezug auf diese Anrechte Ausgleichsberechtigten verbleiben, die dieser im Ausgleich bei der Scheidung ausgleichen müsste. Die Eheleute können also vereinbaren, dass dem in Bezug auf die ausländischen Anrechte ausgleichsberechtigten Ehegatten diejenigen Anrechte endgültig verbleiben sollen, welche sonst § 19 Abs. 3 VersAusglG unterfielen. Das kann zu einem vollständigen Ausgleich führen, wenn die sich gegenüberstehenden Anrechte gleich hoch sind, und wenigstens zu einem Teilausgleich, wenn die ausländischen Anrechte höher sind als die Anrechte, über welche der in Bezug auf diese Anrechte ausgleichsberechtigte Ehegatte insoweit selbst verfügt.

 

Rz. 61

 

Beispiel

In dem vorgenannten Beispiel bleibt es in Bezug auf die deutschen gesetzlichen Rentenansprüche von M bei der gesetzlich vorgesehenen Lösung. Insoweit besteht kein Korrekturbedarf. Sinnvoll ist es in diesem Fall aber, dass M die Anrechte aus der französischen Rentenversicherung endgültig für sich behält, ohne dass er später insoweit noch Ausgleich nach der Scheidung leisten müsste. Der Ausgleich durch Vereinbarung kann in der Weise erfolgen, dass F in Bezug auf die französischen Anrechte auf einen Ausgleich verzichtet, dass aber im Gegenzug M darauf verzichtet, i.H.d. Rentenbetrags, der ihm aus den französischen Anrechten voraussichtlich erwachsen wird, an den inländischen Anrechten von F beteiligt zu werden. Das bedeutet, dass er in diesem Fall auf einen Ausgleich des Ehezeitanteils ...

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