I. Hinweise
Rz. 18
Der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer ist (insbesondere) bei größeren Personenschäden stets darum bemüht, mit dem Geschädigten einen Abfindungsvergleich zu schließen, mit dem sämtliche zukünftigen Ansprüche abgegolten werden. Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass er den gesamten Schadensersatzanspruch ohne Zukunftsrisiko – ggf. kapitalisiert – erhält und sich nicht immer wieder mit dem Schadensfall befassen muss. Ca. 95 % aller Personen-Großschadensfälle werden mit einem solchen Abfindungsvergleich reguliert, was die große praktische Bedeutung dieses Rechtsinstruments zeigt. Abfindungsvergleiche resultieren üblicherweise aus dem angemessenen Ersatzanspruch für Personen- und Personenfolgeschäden (z.B. Schmerzensgeld, Verdienstausfallschaden, vermehrte Bedürfnisse), dem ein Zuschlag für zukünftige Schadensrisiken hinzuaddiert wird. Eine Gesamtabfindungsvereinbarung stellt einen Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 BGB dar. Dieser ist z.B. dann wirksam zustande gekommen, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung in ihrem Schreiben ausdrücklich und eindeutig klarstellt, dass für sie nur "ein endgültiger, d.h. vorbehaltloser Abfindungsvergleich aller Ansprüche" in Betracht komme und der Geschädigte eine hierauf bezogene Abfindungsvereinbarung unterschreibt.
II. Bindungswirkung des Abfindungsvergleichs
Rz. 19
Nur in sehr seltenen Fällen ist eine Abfindungsvereinbarung nichtig oder kann durch Anfechtung beseitigt werden. Auch ein Anspruch auf Anpassung eines umfassenden Vergleiches kommt angesichts der insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung für den Geschädigten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr zumutbar ist. Dafür ist Voraussetzung, dass entweder die Geschäftsgrundlage des Vergleiches wegfällt/sich ändert oder eine erhebliche Äquivalenzstörung zwischen den vereinbarten Leistungen der Parteien eintritt. Eine Anpassung des Vergleiches kommt dann nicht in Betracht, wenn es der Verletzte, wie regelmäßig bei der Kapitalisierung seiner Ansprüche, in Kauf nimmt, dass sich die maßgebenden Berechnungsfaktoren aufgrund der zu treffenden Prognosen und Schätzungen unvorhersehbar negativ entwickeln. Der Geschädigte trägt das Risiko des Übersehens oder des nachträglichen Bekanntwerdens von Schadenspositionen.
Der Abfindungsvergleich entfaltet Bindungswirkung nur inter partes. Führt ein grober ärztlicher Kunstfehler zu einer massiven Verschlechterung der unfallbedingten Gesundheitsstörung des Geschädigten, so steht ein von ihm mit seinem Haftpflichtversicherer geschlossener Abfindungsvergleich einer Schmerzensgeldklage gegen den Krankenhausträger nicht entgegen.
1. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Rz. 20
Die eine Fallgruppe für die Anpassung des Abfindungsvergleichs bildet der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Geschädigten. Zu einer Anpassung berechtigt nicht jede nachträgliche Änderung der Tatsachen, die dem Vergleich als Kalkulationsgrundlage zugrunde gelegt worden sind. Wer eine Kapitalabfindung wählt, nimmt vielmehr das Risiko in Kauf, dass maßgebliche Berechnungsfaktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhten. Der Schädiger darf sich darauf verlassen, dass mit Begleichung der Kapitalabfindung, die gerade auch zukünftige Entwicklungen einschließen solle, die Sache für ihn ein für allemal erledigt ist. Soweit der Geschädigte das Risiko in Kauf nimmt, dass die für die Berechnung des Ausgleichsbetrages maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen und sie sich demgemäß unvorhersehbar positiv oder negativ verändern können, ist ihm die Berufung auf eine Veränderung der Vergleichsgrundlage verwehrt.
Rz. 21
Ob und in welchem Umfang der Geschädigte das Risiko künftiger Veränderungen übernommen hat, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu ermitteln. Gehen die Vertragspartner einer Abfindungsvereinbarung davon aus, eine bestimmte Drittleistung – z.B. die dem Kläger aufgrund der unfallbedingten Frühpensionierung zustehende Pension – sei Bestandteil der dem Geschä...