Rz. 129
Die richterliche Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1, 2 BGB), die bzgl. einer Verjährungsvereinbarung gem. § 202 BGB nicht durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen wird (vgl. Rdn 126), kann ergeben, dass eine formularmäßige Erleichterung der Verjährung den Vertragspartner (z.B. einen Mandanten) des Verwenders (z.B. eines Rechtsberaters) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und deswegen unwirksam ist. Eine solche Prüfung betrifft – nach Maßgabe des § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB – auch AGB, die ggü. einem Unternehmer (§ 14 BGB) verwendet werden. Bei Verträgen des Rechtsberaters mit einem Verbraucher (§ 13 BGB) umfasst die Inhaltskontrolle auch sog. "Einmalbedingungen" (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
(a) Richterliche Prüfung
Rz. 130
Die richterliche Prüfung gem. § 307 BGB hat grds. auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen und den gesamten Vertragsinhalt einschließlich der Individualvereinbarungen zu berücksichtigen.
Rz. 131
Prüfungsmaßstab ist eine generalisierende, überindividuelle, typisierende Betrachtung, bei der die Interessen des Verwenders (z.B. eines Rechtsberaters) gegen die Belange der typischerweise beteiligten Vertragspartner (z.B. der Mandanten) abzuwägen sind; dabei sind Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Werden AGB für verschiedene Arten von Geschäften oder ggü. verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, so ist die Abwägung in den Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, die sich nach der am Sachgegenstand ausgerichteten typischen Interessenlage bilden, sodass gruppentypisch unterschiedliche Ergebnisse möglich sind. Bei Verbraucherverträgen sind darüber hinaus auch die den Vertragsschluss begleitenden – also konkret individuelle – Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB).
Rz. 132
Eine AGB-Klausel enthält eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist kann den Schuldner belasten, aber gleichzeitig auch zu seinem Vorteil sein, wenn andererseits der Fristbeginn nur von objektiven Umständen abhängt und kenntnisunabhängig anläuft. Auf diese Weise kann der notwendige Interessenausgleich hergestellt werden.
Bei der Prüfung einer vorformulierten Klausel, mit der ein Rechtsanwalt oder ein anderer Rechtsberater die Verjährung eines Regressanspruchs erleichtern will, ist zu beachten, dass die Fachkunde des Rechtsberaters und das Vertrauen des regelmäßig fachunkundigen Mandanten typischerweise eine Überlegenheit des Rechtsberaters im Verhältnis zu seinem Auftraggeber begründen.
Als Richtschnur kann gelten, dass eine verjährungserleichternde AGB-Klausel dann angemessen i.S.d. § 307 BGB ist, wenn ein besonderes Interesse des Verwenders (z.B. eines Rechtsberaters) – also ein sachlicher Grund – das Interesse des Vertragspartners (z.B. eines Mandanten) an der Geltung des gesetzlichen Verjährungsrechts übersteigt.
(b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Rz. 133
Nach dieser Vorschrift wird eine widerlegbare Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung dann begründet, wenn eine AGB-Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Diese Bestimmung wird der Schwerpunkt der Inhaltskontrolle formularmäßiger Verjährungserleichterungen sein, weil sie an den Rechtsgrundsatz anknüpft, dass die Vorschriften des dispositiven Rechts Leitbildfunktion haben.
Rz. 134
Daraus ergibt sich als Mindestregelung für die Erleichterung der Verjährung vertraglicher Regressansprüche gegen Rechtsanwälte und andere Rechtsberater durch AGB, dass solche Vereinbarungen den Schutz des geschädigten Auftraggebers oder des geschützten Dritten durch die früheren Verjährungsregelungen (§§ 51b, 59m Abs. 2 BRAO a.F.; §§ 45b, 52m Abs. 2 PatAnwO a.F.; §§ 68, 72 Abs. 1 StBerG a.F.; §§ 51a, 56 Abs. 1 WPO a.F., 323 Abs. 5 HGB a.F.) unter Einschluss einer Sekundärhaftung von Rechtsanwälten oder Steuerberatern (vgl. Rdn 3) nicht u...