I. Regelverjährung gem. §§ 195, 199 BGB
1. Grundzüge
Rz. 2
Im Vordergrund des neuen Rechts der Verjährung (§§ 194 ff. BGB) eines Anspruchs, der sich aus einem materiellen Rechtsgrund ergibt (§ 194 Abs. 1 BGB), steht die regelmäßige Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Diese subjektive Anbindung des Verjährungsbeginns wird beschränkt durch Höchstfristen von zehn oder 30 Jahren, die jeweils kenntnisunabhängig mit einem objektiven Umstand beginnen, und zwar taggenau mit dem maßgeblichen Umstand i.S.d. § 199 Abs. 2 bis 5 BGB.
Rz. 3
Die verjährungsrechtliche Neuregelung erübrigt die von der Rechtsprechung zum alten Verjährungsrecht entwickelte verjährungsrechtliche Sekundärhaftung der Rechtsanwälte und Steuerberater. Dieses Rechtsinstitut sollte die Härten und Unbilligkeiten mildern, die für den geschädigten Auftraggeber – v.a. für einen Dauermandanten – insb. mit dem kenntnisunabhängigen Verjährungsbeginn in den alten Sonderregelungen der Verjährung der Haftung dieser Rechtsberater verbunden waren. Ein solches Schutzbedürfnis des betroffenen Mandanten ist mit der Einführung des kenntnisabhängigen Verjährungsbeginns entfallen.
2. Anwendungsbereich
a) Allgemeine Verjährung
Rz. 4
Sofern keine besondere Verjährungsregelung anzuwenden ist (vgl. Rdn 65), unterliegt jeder Schadensersatzanspruch (§§ 280 ff. BGB; vgl. § 3 Rdn 4 ff.) der Verjährung gem. § 199 BGB, gleichgültig, ob er auf einem Vertrag (§ 311 Abs. 1 BGB), einem rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) oder einem gesetzlichen – auch deliktischen – Schuldverhältnis beruht (vgl. § 3 Rdn 5). Gleichgültig ist auch, ob er einen materiellen oder einen immateriellen Schaden betrifft.
Rz. 5
Für die Rechtsberaterhaftung bedeutet dies:
Ein Schadensersatzanspruch des Mandanten oder eines geschützten Dritten (vgl. § 9 Rdn 1 ff., § 10 Rdn 1 ff.) aus einem berufstypischen (echten) Anwalts- oder Steuerberatervertrag (vgl. § 2 Rdn 1 f.) verjährt grds. nach § 199 BGB, gleichgültig, ob es sich gemäß dem Regelfall um einen Dienstvertrag (§§ 611, 675 Abs. 1 BGB) oder ausnahmsweise um einen Werkvertrag (§§ 631, 675 Abs. 1 BGB; vgl. § 1 Rdn 6 ff., § 2 Rdn 3) handelt; für Mängelansprüche des Bestellers aus einem Werkvertrag gilt allerdings die Sonderverjährung des § 634a BGB (vgl. Rdn 66 ff.).
Anders als nach altem Recht i.R.d. §§ 51b BRAO a.F., 45b PatAnwO a.F., 68 StBerG a.F. bzw. § 51a WPO a.F und § 323 Abs. 5 HGB a.F. unterliegt ein Schadensersatzanspruch grds. auch dann der Verjährung nach § 199 BGB, wenn er sich ergibt aus:
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einem (unechten) Rechtsberatervertrag mit vorwiegend berufsuntypischer Tätigkeit, z.B. aus dem Maklervertrag eines Rechtsanwalts ohne Rechtsbeistandspflicht; |
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einem gesetzlichen Schuldverhältnis wegen amtlicher oder amtsähnlicher Tätigkeit, es sei denn, dass eine Sonderverjährung in Betracht kommt, z.B. gem. § 62 InsO für einen Insolvenzverwalter; |
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der Tätigkeit als Abschlussprüfer. |
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Für die Haftung als Vormund, Betreuer, Nachlassverwalter galten zwischenzeitlich nach dem § 197 Abs. 1 Nr. 2, §§ 200, 207 Abs. 1 S. 1 und 2 und Nr. 3 BGB eigene Verjährungsvorschriften, die aber mit Beginn des Jahres 2010 weggefallen sind. Auch bei diesen Tätigkeiten gilt nun die allgemeine Verjährung, sodass hinsichtlich der Verjährung auch nicht mehr danach zu unterscheiden ist, ob ein Rechtsanwalt oder eine sonstige Person das jeweilige Amt ausübt. |
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Da sich auch die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen gegen Notare nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften richten (§ 19 Abs. 1 S. 3 BNotO), ist es diesbezüglich nicht mehr notwendig, zwischen den verschiedenen Tätigkeiten eines Anwaltsnotars zu unterscheiden. |
Rz. 6
Andere Ansprüche eines Mandanten gegen einen Rechtsanwalt oder Steuerberater, die keine Schadensersatzforderungen sind, verjähren nach neuem Recht ebenfalls grds. (vgl. aber §§ 196 bis 198, 200, 201 BGB) gem. § 199 Abs. 1, 4, 5 BGB, also etwa ein Anspruch auf Vertragserfüllung, auf Auskunft und Rechenschaft (§§ 666, 675 Abs. 1 BGB) sowie auf Herausgabe aus §§ 667, 675 Abs. 1 BGB.