Rz. 49
Nach § 166 BGB kommt es im rechtsgeschäftlichen Verkehr grds. auf die Person des Bevollmächtigten an, soweit die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung beeinflussen; dies gilt auch für gesetzliche Vertreter und die Organe juristischer Personen. Diese Vorschrift ist grds. nicht auf die Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB übertragbar; für den Verjährungsbeginn nach dieser Bestimmung kommt es i.d.R. allein auf die Kenntnis des Verletzten, nicht auf diejenige seines Vertreters an.
§ 166 Abs. 1 BGB ist allerdings der allgemeine Rechtsgedanke entnommen worden, dass derjenige, der – unabhängig von einem Vertretungsverhältnis – einen anderen mit der Erledigung einer bestimmten Angelegenheit in eigener Verantwortung betraut, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss ("Wissensvertretung"). "Wissensvertreter" ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, als dessen Repräsentant im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und weiterzuleiten; eine Bestellung zum rechtsgeschäftlichen Vertreter oder zum Wissensvertreter ist nicht erforderlich, jedoch muss sich der Geschäftsherr seines Repräsentanten im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen.
Rz. 50
Diese "Wissensvertretung" hat die Rechtsprechung auf § 852 Abs. 1 BGB a.F. übertragen; dies gilt auch für § 199 Abs. 1 BGB. Der Geschädigte muss sich die Kenntnis eines Dritten dann im Rahmen dieser Vorschrift zurechnen lassen, wenn er diesen Dritten – unabhängig von einem Vertretungsverhältnis – beauftragt hat, in eigener Verantwortung seine Interessen bzgl. des Schadensersatzanspruchs zu wahren, also insb. diesen Anspruch durchzusetzen; dann hat der Geschädigte diesen Dritten insoweit zu seinem "Wissensvertreter" bestellt. Dies gilt insb. für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Aufklärung des Sachverhalts eines Schadensvorgangs und/oder zur Geltendmachung eines daraus folgenden Schadensersatzanspruchs. Bei juristischen Personen ist insoweit auf das Wissen des Bediensteten abzustellen, der mit der Betreuung und Verfolgung der Ersatzforderung in eigener Verantwortung betraut worden ist; das gilt entsprechend für den zuständigen Bediensteten der verfügungsbefugten Behörde. Eine Wissensvertretung durch Behörden entfällt. Der Geschädigte muss sich nicht nur eine positive Kenntnis des Wissensvertreters, sondern auch ein missbräuchliches Sichverschließen vor der Kenntnis entgegenhalten lassen. Wird der Sonderverwalter mit der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den amtierenden Insolvenzverwalter beauftragt, kommt es auf die Kenntnisse des Sonderverwalters an. Umgekehrt wird die Wissensvertretung allerdings dann nicht der Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer vermittelt, wenn dieser selbst der Schuldner des Schadensersatzanspruchs ist.