Rz. 70

Gestört ist die Geschäftsgrundlage bei einer schwerwiegenden Veränderung nach Vertragsschluss.[56] Haben Eltern dem Schwiegerkind in Hinblick auf den Bestand der Ehe mit dem eigenen Kind Vermögen oder Arbeitsleistungen zugewandt und ist diese Ehe dann gescheitert, ist die Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages (der Bestand der Ehe) gestört, da nachträglich weggefallen. Damit ein Anspruch aus § 313 BGB entstehen kann, muss diese Veränderung auch schwerwiegend sein. Das ist sie, wenn sie dazu führt, dass der benachteiligten Partei ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.[57] Hätten Eltern die Zuwendung oder die Arbeitsleistung nicht oder nicht so vorgenommen, wenn sie von dem Scheitern der Ehe ihres Kindes gewusst hätten,[58] sind im Rahmen einer Abwägung weitere Aspekte zu überlegen. Denn die Rechte wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage bestehen nur, soweit das Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde. Das erfordert eine umfassende Interessenabwägung beider Vertragsseiten und eine Würdigung aller Umstände.[59]

[56] Palandt/Grüneberg, § 313 BGB Rn 18.
[57] BGH, Beschl. v. 3.12.2014 – XII ZB 181/13, Pressemitteilung Nr. 180/14 vom 4.12.2014; PWW/Stürner/Medicus, § 313 BGB Rn 13.
[58] OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.6.2012 – 6 UF 12/12, openJur 2013, 29637 (Ziff.15), Justiz Hessen; Wever, Rn 573b.
[59] Palandt/Grüneberg, § 313 BGB Rn 24.

a) Teilhabe des eigenen Kindes über Zugewinnausgleich

 

Rz. 71

Nach der bis Februar 2010 geltenden Rechtsprechung konnten die Eltern dann keinen Ausgleichsanspruch wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB geltend machen, wenn das eigene Kind über den Zugewinnausgleich an dem Vermögenszuwachs auf Seiten des Schwiegerkindes teilhatte. Begründet wurde diese Rechtsansicht damit, sie würden ihre Arbeitsleistungen oder Zuwendungen letztlich dem eigenen Kind zuliebe erbringen. Hatte das Kind dann aber im Rahmen der ehelichen Vermögensauseinandersetzung einen Zugewinnausgleichsanspruch gegen das Schwiegerkind, partizipierte also auf diesem Wege, war den Eltern ein Festhalten an dem Vertrag zuzumuten.[60]

 

Rz. 72

Vor der neuen Rechtsprechung hat dieser Grundsatz keinen Bestand mehr. Es gilt, dass das güterrechtliche Ergebnis bei der Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens an dem Vertrag keine Berücksichtigung (mehr) findet.[61] Für das Entstehen eines Rückforderungsanspruchs nach § 313 BGB hat es keine Bedeutung, ob und in welchem Umfang das eigene Kind über den Zugewinnausgleich an dem durch die Schwiegereltern an das Schwiegerkind geleisteten Vermögenszuwachs profitiert.[62] Denn es gibt keinen Grund, die Interessen der Eltern mit denjenigen ihrer Kinder gleichzusetzen.[63] Rechtsfolge dessen ist, dass Eltern ein Festhalten an dem Schenkungs- oder Kooperationsvertrag auch dann nicht mehr zumutbar sein kann, wenn ihr eigenes Kind einen Vermögensvorteil über die güterrechtliche Auseinandersetzung mit dem Schwiegerkind erzielt.

[60] Wever, Rn 573c.
[61] OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4.6.2012 – 6 UF 12/12, openJur 2013, 29637 (Ziff.15); Wever, Rn 573c.
[62] BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, openJur 2010, 10756 (Ziff. 23), FamRZ 2010, 1626; Wever, Rn 560.
[63] FAKomm-FamR/Roßmann, vor §§ 1372 ff. BGB Rn 193.

b) Doppelte Inanspruchnahme des Schwiegerkindes

 

Rz. 73

Eine andere Wertung der Frage der Zumutbarkeit kann aber unter Umständen dann vorliegen, wenn das Schwiegerkind hinsichtlich desselben Leistungsgegenstandes doppelt in Anspruch genommen würde. Das wäre der Fall, wenn sowohl Ansprüche der Schwiegereltern als auch Ansprüche des Ehegatten geltend gemacht werden und kumulativ nebeneinander stehen. Eltern könnten das Schwiegerkind zum Beispiel aus Wegfall der Geschäftsgrundlage, der Ehegatte wegen Zugewinnausgleichs in Anspruch nehmen. Deutlicher wird diese Problematik, wenn der schuldrechtliche Anspruch der Schwiegereltern abgetreten würde an das eigene Kind. Das Kind hätte dann gegen den Ehegatten zwei Ausgleichsansprüche wegen desselben Streitgegenstands.

aa) Schenkung

 

Rz. 74

Durch die Änderung der Rechtsprechung im Jahre 2010 wurde der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Schwiegerkindes entgegengewirkt.

 

Rz. 75

Gemäß § 1374 Abs. 2 BGB wird Vermögen, das ein Ehegatte durch Schenkung erwirbt, nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet. Der Zweck dieser Regelung ist, solche Vermögensbestandteile einer Ausgleichspflicht zu entziehen, die einem Ehegatten von Dritten aufgrund persönlicher Beziehungen oder ähnlicher Umstände zufließen.[64] Voraussetzung hierfür ist aber das Vorliegen einer Schenkung im Sinne des § 516 BGB.[65]

 

Rz. 76

Bis 2010 galt die schwiegerelterliche Zuwendung nicht als Schenkung, sondern als unbenannte Zuwendung und fiel nicht in den Anwendungsbereich des § 1374 Abs. 2 BGB. Dieser enthält eine abschließende Aufzählung hinsichtlich der Privilegierungstatbestände. Unbenannte Zuwendungen sind nicht aufgezählt.[66]

 

Rz. 77

Wie bereits ausgeführt, gilt seit Februar 2010 die Rechtsansicht des BGH, schwiegerelterliche Zuwendungen seien als Schenkungen...

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